Der Geheimtip
inhaftiert. Der Polizeichef bekam einen Schreikrampf, als er sich die Gestalten vorführen ließ. Die meisten waren Opfer von raffgierigen Bekannten oder Verwandten, die fanden, daß dem Juan oder Pedro oder Raffael ein Denkzettel gar nicht schaden konnte. Die anderen waren Schnorrer, die mit anderen Schnorrern verabredet hatten, daß sie sich die Summe teilen würden: Einer gab den Tip, der andere saß ein, was sollte sein? Es war ja nicht das erstemal.
Zwei Familienväter wollten tapfer für ihre Familie die Prämie kassieren und ließen sich mit ihrem Einverständnis vom Sohn und von der Ehefrau anzeigen.
»Entlassen, sofort alle entlassen, bevor die Zeitungsfritzen Wind davon kriegen«, schrie der Polizeichef. »Dummköpfe! Wir können nur einen Täter oder eine Gruppe brauchen! Verdammt, seid ihr wirklich so blöde?« Oh, er raste wie der Samum, der ab und zu von Afrika herüberwehte.
Eine Stunde lang, nachdem die Leute aus der Haft entlassen waren, redete er mit seinen Untergebenen in einem recht gewöhnlichen Portugiesisch, das diese nicht so bald vergaßen. Von dieser Stunde an konnten sie allesamt den Namen Meier nicht mehr hören.
Nach Lissabon ging die Meldung, die Suche nach dem verschollenen Deutschen sei erfolglos verlaufen und werde eingestellt. Nach Aberlingen wurde auf diplomatische Weise Nachricht gegeben, alles sei im Fluß und nichts verloren. Aber dieser Mensch Meier war nicht der erste, der sich leichtsinnigerweise in die Berge begeben hatte und darin umgekommen war. Es dauerte oft lange, bis man die Leichen fand.
Dieser Meier aber war so lebendig wie noch nie, wenn er auch zuweilen das Gefühl hatte, in einem Roman mitzuspielen, in dem viel Liebe und auch viel Horror vorkam.
An jenem Sonntagmorgen, an dem wir ihn verlassen haben, kam sein Anblick allerdings dem einer Leiche erheblich nahe. Als Schnapsleiche wurde er von zwei kräftigen Möbelpackertypen die Dorfstraße von Semlona hinuntergeleitet, das heißt, er ließ einfach die Füße baumeln. Sie hatten ihn untergehakt und schleiften ihn. Keiner der wenigen Passanten guckte auffällig hin oder grinste gar. Die Eingesessenen kannten die beiden Schläger und sahen sich vor. Und Gäste wollten zeigen, daß sie aus der Großstadt kamen und solche Szenen alle Tage sahen.
Bei Pedro Pappali wurden die Leute im Saal schon unruhig. Der Eintrittspreis war gepfeffert gewesen, und außerdem hatten sie Hunger und Durst.
So ließ der Wirt bereits die Kapelle mit dem Musikprogramm einsetzen, und da er ein kluger Mann war, wurde gleich die Fischsuppe serviert, und dazu ein großer ›Arguadente‹ und roter Wein.
Als die molligen Tänzerinnen in ihren Volantkleidern anrauschten, stieg die Stimmung schon beträchtlich. Der Tanzstar Mauro würde ein gut eingestimmtes Publikum vorfinden.
Als Pedro Pappali seinen Star dann sah, erbleichte er doch. Das war schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. Sein Schwager, dieser Hornochse, mußte dem Kerl ja einen Eimer voll Schnaps eingeflößt haben. Und tatsächlich wirkte die schlaffe Sofapuppe, die ihm seine beiden Helfer da anbrachten, auch gar nicht wie ein markiger Flamencotänzer, dem die Damen zu Füßen lagen.
Vor allem mußte er ihn in das Kostüm kriegen, da durften sie nicht zimperlich sein.
»Señor Mauro«, sagte er, »sind Sie okay?«
»Okay«, antwortete die Sofapuppe und grinste. Na also.
Pappali gab seinen Gesellen einen Wink. Sie zogen Egon Meier aus bis auf die Unterhosen. Dann stellten sie ihn gemeinsam in eine große Blechschüssel, und Meister Pappali persönlich leerte einen Krug erfrischend kalten Wassers über Egons Kopf aus.
»Huch!« schrie der, »ich wollte gar nicht duschen!«
Er rief es natürlich auf deutsch. Das wunderte die drei Männer nicht weiter, wußten sie doch, daß Mauro ein internationaler Star war und daß man ihm viele sonderbare Allüren nachsagte. Wenn er hier in fremden Zungen reden wollte – sollte er.
»Hauptsache, er setzt seinen Hintern in Bewegung«, faßte Pappali zusammen. Vorsichtshalber gab er aber noch Anweisung, einen weiteren Freilikör im Saal auszuschenken.
Sie zwängten Egon in ein Kostüm, das um die Hüften so eng saß, daß er darin von selber stand. Egon erblickte sich im Spiegel, winkte sich zu und war hingerissen. Wirklich, dieser schmucke Kerl war Egon Meier aus Aberlingen.
»Silva! Wo ist Silva?!« schrie er, denn diese Pracht mußte sie sofort sehen. Pappali und seine Handlanger reagierten mit beruhigendem Zungeschnalzen auf
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