Der Geheimtip
sei noch offen, obwohl ihre Preise um 2,3 Prozent über dem Weltmarktniveau lägen – hier warf Kranzer seinem Chef einen triumphierenden Blick zu und betonte, daß sie deshalb ja auch mit dem Señor persönlich verhandeln möchten, nun aber sehr besorgt seien. Sehr, sehr besorgt.
Pettenkamp nahm Kranzer den Hörer weg und radebrechte auf englisch, er werde für alle Fälle seinen Chefingenieur als zweiten Unterhändler nach Madeira abordnen. Und Parlango erwiderte, das würde ihn natürlich einerseits freuen, andererseits könne er sich nicht vorstellen, daß der jetzige Unterhändler wirklich auf Madeira verschwunden sei. »Es geht nicht so schnell jemand verloren auf dieser Insel«, sagte er, »und wir sind auch nicht so eilige Leute hier. Ich schließ' nicht mit anderen ab, bevor ich nicht mit Ihnen verhandelt habe, das verspreche ich.«
Besorgt wurde er, als er von dem ersten Telefonat Meiers mit Pettenkamp erfuhr. »Er hat gesagt, das Geschäft sei unter Dach und Fach?«
»Ja.«
»Entschuldigung – ist er möglicherweise ein ›falscher Fuffziger‹?«
»Aber niemals! Ich lege meine Hand für ihn ins Feuer«, schrie Pettenkamp, so gut er das auf englisch konnte. Kranzer schüttelte innerlich den Kopf. Vor Tische las man's anders, dachte er.
Nun empfahl Parlango, es sei am vernünftigsten, eine Vermißtenmeldung zu machen. Er werde das gern übernehmen. Seine Sekretärin könne sich von Pettenkamps Sekretärin die Einzelheiten, Namen, Daten und so weiter, mitteilen lassen. Und es würde die Begeisterung der Leute fördern, wenn eine Belohnung fürs Auffinden ausgesetzt werde. Pettenkamp machte zwei Tausender locker, ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Gewissen schlug ihm. Von wegen ›falscher Fuffziger‹!
Am nächsten Morgen brachte Silvia Buttrich Alma mit ins Büro und ließ das Hundchen unter ihrem Schreibtisch auf einem Kissen liegen. Silvia hatte sich dunkel gekleidet und gab sich den Anstrich einer Seemannsbraut, deren Liebster bei Windstärke Zwölf im Pazifik verschollen ist.
Dann tröpfelten die ersten Nachrichten ein.
In den Bergen auf Madeira war der Mietwagen des Gesuchten gefunden worden.
Er hatte dicht an einem steilen Abhang gestanden, neben einer Hütte, in der Spuren darauf hindeuteten, daß in dem Heu ein lebhafter Kampf stattgefunden habe. Blutspuren seien am Tatort nicht gefunden worden. Doch zeigten Reifenspuren eines zweiten Wagens, offenbar eines Sportwagens, wie ihn Gangster häufig fuhren, daß der Gesuchte in der fraglichen Nacht nicht allein geblieben sei, vermutlich habe man ihn im Auto weggebracht. Es sei inzwischen bekannt, daß der Gesuchte sehr auffallend gekleidet war, in ein lila Jackett, mit einem rosa Schal um den Hals.
Silvia Buttrich geriet fast außer sich. Da saß sie Tag für Tag in Aberlingen hinter dem Schreibtisch, und nun war sie plötzlich beinahe mittendrin in einem Gangsterdrama. Und ihr Darling Egon war der Held. Vielleicht schon tot! Jedenfalls mit einem lila Jackett!! Wer hätte das von ihm gedacht? Ja, stille Wasser gründen tief, sie hatte das Besondere an Meier gleich erkannt.
Dr. Kranzers Chancen fielen wieder wie eine schlechte Währung. Silvia trug nun ungeniert Schwarz, wischte sich häufig die Augen und hatte auch Alma ein schwarzes Halsband umgelegt.
Parlango kam der Zwischenfall gar nicht so ungelegen. Es gab zwar gar keine Verhandlungen mit den Amerikanern. Das war nur ein Bluff gewesen, um die Deutschen ein bißchen kirre zu machen. Aber jetzt wurden sie richtig weich. Sie würden nachher froh sein, das Geschäft überhaupt machen zu können. Ganz hinten in seinem Gehirn kristallisierte sich aber allmählich eine Idee heraus, die damit zusammenhing, daß der Deutsche seinem Chef gegenüber behauptet hatte, das Geschäft sei so gut wie getätigt. Ob da ein anderer dran war? … und wenn, wer?
Welches Schwein auf der Insel konnte ihm ein legales Geschäft vermasseln wollen? Wer langte ohne Hemmungen zu …?
Etwa dieser Miguel Pallando, dieser gerissene Dunkelmann?! Aber wie? Und warum? Was könnte er bezwecken? Diesen Auftrag bekam der doch offiziell niemals. Nicht von der Regierung. Nein, das war wohl doch nicht richtig …
Inzwischen geschahen auf Madeira Wunder. Kaum war die Höhe der auf Meier ausgesetzten Belohnung veröffentlicht worden, gingen laufend Anzeigen und Tips ein. Im Handumdrehen hatte die Polizei fünf Tatverdächtige festgenommen. Aufgrund von Anzeigen wurden direkt vom Kommissariat nochmals drei Männer
Weitere Kostenlose Bücher