Der Geist des Highlanders
geisterhaft zu stöhnen? Benahm man sich als Schauspieler so?
Seiner Meinung nach nicht.
»Ade!«, brüllte der Geisterkönig plötzlich. »Ade! Gedenke mein!«
»Bei allen Heiligen«, rief Connor aus, »bei dem Lärm, den du veranstaltest, wird dich kaum jemand vergessen!«
Hamlets toter Vater grölte seine Abschiedsworte und begleitete sie mit einem Ächzen, wie es ein Mann von sich gibt, wenn er etwas Verdorbenes gegessen hat. Connor hielt sich die Ohren zu, bis dieses Möchtegern-Gespenst schließlich mit einem letzten Wimmern in den Kulissen verschwand.
Jämmerlich.
Connor blickte zu Victoria. Wie mochte sie auf diese wirklich schlechte Schauspielkunst reagieren?
Sie stand da, die Arme über der Brust verschränkt, mit unergründlichem Gesichtsausdruck. Vermutlich hatte sie Angst, ihre wahren Gefühlen zu zeigen, damit der König von Dänemark nicht in Tränen ausbrach.
Er hatte sie, im Verborgenen natürlich, am Sonntag beobachtet, wie sie die Schauspieler auf ihre Zimmer gejagt hatte.
Die Standpauke, die sie ihnen dabei gehalten hatte, hatte dazu geführt, dass niemand mehr sich in den Pub traute. Aber genau das war wahrscheinlich ihre Absicht gewesen, dachte Connor.
Jetzt lehnte er sich an einen Stützpfeiler und sah den Darstellern zu. Nein, eigentlich betrachtete er Victoria. Er hatte ihr gesagt, er würde sie mit Mistress McKinnon anreden, aber jetzt wurde ihm auf einmal klar, dass er sie in Gedanken anders nannte.
Victoria.
Wie mochte sie wohl mit ihren flammend roten Haaren und ihrem schönen Gesicht auf der Bühne als Schauspielerin gewirkt haben?, fragte er sich. Neben ihr hätte diese Cressida bestimmt wie ein blökendes Schaf ausgesehen. An Victorias Stelle hätte er ihr für ihre darstellerische Leistung als Ophelia schon längst eine Ohrfeige verpasst. Aber an ihrem Scheitern war nur dieser Michael Fellini schuld, der Cressida die ganze Zeit erklärte, wie er die Rolle sah.
Aber Victoria stand ungerührt da und ließ die Schauspieler agieren. Und als es vorbei war, forderte sie die Leute auf, sich auf den morgigen Tag vorzubereiten und sich auf ihre Rollen zu konzentrieren.
Man sah ihr jedoch an, dass sie mit dem Dargebotenen alles andere als zufrieden war.
Die meisten Sterblichen rafften ihre Sachen zusammen und verließen den Burghof. Fred plauderte noch ein paar Minuten mit ihr, schien jedoch nicht zu bemerken, wie einsilbig sie ihm antwortete. Mary gab ihren Näherinnen letzte Anweisungen, dann trat sie an die Bühne und setzte sich auf den Rand. Sie blickte zu Connor und deutete auf den Platz neben sich. Erfreut folgte er ihrer Aufforderung und setzte sich ebenfalls.
»Ich wünsche Euch einen guten Morgen, Lady«, sagte er höflich.
»Ihr könnt gerne Granny zu mir sagen«, erwiderte sie augenzwinkernd.
»Das scheint mir respektlos«, sagte er ernst. »Dann nennt mich Mary«, schlug sie vor.
»Ich könnte Euch mit Lady Mary ansprechen«, versetzte Connor.
»Ja, das ist in Ordnung.« Sie nickte zu Victoria hinüber. »Sie ist nicht gerade begeistert.«
»Ja, das habe ich bemerkt.«
»In knapp einer Woche ist Premiere, aber die Leute machen immer noch Fehler.«
»Das liegt aber nicht an Victoria, sondern an Fellini«, erwiderte Connor.
Mary nickte nachdenklich. »Ja, das Gefühl habe ich auch.« Sie lächelte Connor zu. »Es ist zu schade, dass Ihr ihn nicht ein bisschen erschrecken könnt.«
»Ambrose hat es versucht, und er hat nur erreicht, dass sich der Mann fast in die Hosen gemacht hat«, erwiderte Connor verächtlich. »Und Ambrose traut sich jetzt nicht mehr, weil Fellini sonst womöglich abhauen würde und Victoria ohne Hamlet dastünde.«
»Ihr versteht Euch mit den Männern im Gasthaus jetzt sicher besser, oder?«, fragte Mary. »Ihr findet doch die MacLeods nicht mehr ganz so grässlich, nicht wahr?«
»Das hat etwas damit zu tun, dass ich einen Hauptmann für meine Truppe suche«, erwiderte Connor. »Und ich fürchte, ich muss mich in einem größeren Umfeld umsehen. Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig als Ambrose um Rat zu fragen.«
»Wie schrecklich für Euch.«
»Ja, Mylady, Ihr macht Euch keine Vorstellung davon.«
Mary lachte. »Ihr seid ein reizender Mann. Ich weiß gar nicht, warum Thomas mich vor Euch gewarnt hat.«
»Vielleicht habe ich ihm ein paar Mal zu oft angedroht, ihm den Schädel zu spalten«, erklärte Connor.
»Ja, vielleicht«, stimmte Mary lächelnd zu. »Ich verspreche, ich werde ihm nicht erzählen, wie nett Ihr gewesen
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