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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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»Wenn es immer so einfach wäre und vor Ort alles geklärt werden könnte, viele unserer Innung hätten nichts mehr zu tun. Warten wir also die genaue Untersuchung ab. Aber – Anora, ich beglückwünsche Sie von Herzen zu diesem Fund. Sie sind eben ein Glückspilz – und es ist beinahe symptomatisch: Eine Expe dition, an der Sie teilnehmen, ist offenbar von vornherein erfolg reich… «
     » Es ist Ihre Expedition«, unterbrach Anora sanft, »und Zufall, daß gerade ich an diesem Grab arbeitete. «
     »Si e haben es ausgesucht.« Boderow lächelte. Dann wies er an, wie der Fund zu sichern und zu bergen sei. Selbstverständlich mußten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Frau, der Kopf und was man sonst vielleicht noch in dem Grab finden mochte, nach allen Regeln ver wahrt und abtransportiert sein würden, alle übrigen Grabungen ruhen. »Alle Hände werden hier gebraucht, vielleicht eine Woche lang«, legte Boderow fest.

    Sie gönnten sich wenig Ruhe in den Tagen. Malinkin und Won reis ten mit Proben aus dem Grab nach Taschkent. Es mußte schleunigst ermittelt werden, wie man die Funde zu behandeln hatte, um Be schädigungen zu vermeiden. Die drei Zurückgebliebenen arbeiteten zwölf und mehr Stunden. Sie rissen Stück für Stück die Grabmauer ein, bauten Hilfsvorrichtungen, um den Grabinhalt vor Mörtelstaub und Geröllen zu schützen. Es war ein außerordentlich mühseliges und langwieriges Unterfangen.
      Dann lagen Frau und Kopf wie auf einem Tablett vor ihnen – auf einer dicken Lage von stockigen Kissen und Decken, die durchaus noch anderes bergen konnten.
    Die Archäologen installierten Scheinwerfer, die den Raum schat tenfrei ausleuchten sollten, fochten kleine Händel mit den örtlichen Behörden aus, weil angeblich nicht so viele Kabel vorrätig und die Stromanschlußwerte zu hoch seien. Schließlich aber ergoß sich das Licht aus etlichen leuchten in die niedrige Grabkuppel, bis Anora, als sie zufällig mit dem Handrücken das Gesicht des Mannes berührte, die Wärme spürte. Und erschrocken löschte sie zum Erstaunen von Boderow und Isakow die Lampen bis auf eine. Die Gefährten billigten ihr Vorgehen natürlich sofort, als sie den Grund erfuhren. Boderow brummelte, daß er hätte selbst draufkommen müssen. Es war selbst verständlich, daß kein Risiko eingegangen werden durfte, solange die Analyseergebnisse nicht vorlagen.
      Die drei begannen dann mit Pinsel und Ministaubsauger Antlitz und Gewänder der Toten Quadratzentimeter um Quadratzentimeter zu säubern. Und bei der Arbeit entdeckten sie, daß der Kopf der Frau auf einem in Seide eingeschlagenen dicken Buch ruhte. Bahnte sich doch eine Sensation an? Vorübergehend lähmte dieser Fund die wei teren Arbeiten. Mutmaßungen kamen erneut auf, bis Boderow aber mals ein Machtwort sprach. Sie säuberten die Oberflächen der De cken und Kissen, was äußerst vorsichtig geschehen mußte, weil dort, wo sich Stockflecke gebildet hatten, die Gewebe schon bei einem stär keren Lufthauch zerfielen. Aber sie achteten weniger auf die wunder vollen Stickereien, die unter einer dünnen, dafür aber sehr dichten Staubschicht sichtbar wurden, immer wieder gingen die Blicke zu dem Buch, das sie natürlich nicht unter dem Kopf hervorzuziehen wagten.
    Und wenn sie sich bei den kurzen Mahlzeiten – selbst Mascha grollte nur noch still für sich – im Gemeinschaftswagen unterhielten, dann drehte sich das Gespräch um die Frau und um das, was dieses Buch vielleicht zu enthüllen vermochte. Die Spannung stieg, je nä her der Tag rückte, an dem sie Malinkin und Won zurückerwarteten. Am Vorabend des Tages, an dem die Gefährten eintreffen sollten, spazierte Anora durch die Stadt. Alles war bis aufs kleinste vorberei tet. Nun wird es hoffentlich wieder richtige Arbeit geben, Arbeit, bei der man zupacken mußte, entdecken konnte…
      Anora hatte bis zum Antritt ihrer Nachtwache noch fast zwei Stunden Zeit. Die Wache hatten sie beschlossen, als der Grabinhalt frei in der Gruft lag. Es kamen doch ab und an Neugierige, standen herum, versuchten einen Blick in die Kammer zu werfen. Und da gab es Kinder, die in der Nähe spielten und tollten. Natürlich hatten sich die Männer dem Gast gegenüber als Kavaliere aufgespielt, hatten protestiert, als Anora wie sie in den Turnus einbezogen werden woll te. Wenigstens die Nächte sollte sie auslassen. Aber Anora hatte sich durchgesetzt. Es glaubte zwar niemand, daß die Wache wirklich notwendig war, aber der oberste Leitsatz:

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