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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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dalagen. Die Schritte hallten, und Anora schalt sich albern, weil sie stehenblieb, um sich zu vergewissern, ob ihr nicht jemand folgte. Aber sie fühlte sich doch erleichtert, als sie durch einen letzten Bogen ins Freie trat, auf das Gelände des großen Ba sars. An den Verkaufsständen schlafwachten einzelne Händler, lie gend oder sitzend, in dichte Schafpelze oder Decken gehüllt. Nur wenige schenkten der eiligen Frau Aufmerksamkeit. Drei junge Männer, alkoholermuntert, unterbrachen ein Steinspiel und schnalz ten mit der Zunge, als Anora vorbeischritt. Es roch nach frischen Melonen, nach Gewürzen und Hammelfett.
      Hinter dem Gelände des Basars verlief die steinige, von Karren zer klüftete Straße zwischen geduckten Lehmhäusern, aus deren Dach schobern Fernsehantennen als bizarre Fremdkörper lugten. Hier und da war Licht in den kleinen Fenstern, die sich in den Wänden befan den, die die Wohnung von der Straße trennten. Ein Fenster, ging es Anora durch den Sinn, ist wohl schnell durch eine Lehmmauer gebrochen. Aber mit wieviel Hergebrachtem, Traditionellem, islami schen Dogmen und Anerzogenem mußte der bereits gebrochen ha ben, der die Schläge mit der Hacke führte. So ein Fenster schafft den Kontakt zwischen dem Leben da drin und hier draußen, schafft ihn zu einer neuen Welt.
    In Anoras Gedanken schoben sich Bilder vergleichbarer Straßen ih rer Heimatstadt. Und wieder empfand sie den Zeitsprung dieses Choresm, dieser Stadt Chiwa, die nur scheinbar noch ganz im Alten verhaftet war. Aber keine Stadt macht einen Zeitsprung, die Men schen machen ihn… Und dabei, dessen war sich Anora wohl bewußt, war Chiwa von vielen Städten Usbekistans wahrscheinlich die am wenigsten entwickelte. Es gab bislang keine ausgesprochenen Neu baugebiete. Das Moderne Taschkents oder auch Samarkands verlor sich in der Kysylkum.
      Autos und Omnibusse, von Urgentsch herüberkommend, blieben vor der alten ausgewaschenen Befestigungsmauer aus gestampftem Lehm stehen, entließen dort die Touristen, die zu Fuß auf vorge schriebenen Wegen die Historie mehr oder weniger beeindruckt in sich aufnahmen. Viele saßen dann auch hitzegedrückt herum, dach ten vielleicht sehnsuchtsvoll an das klimatisierte Hotelzimmer und nickten zu dem, was Jussuf, das Intourist-Fremdenführer-Original, der Nasreddin von Chiwa, wie man ihn scherzhaft nannte, blumen reich von vergangener Pracht, von Folter und Hinrichtung zu erzäh len wußte. Im Geist plätscherten die Zuhörer vielleicht unter der Dusche oder genossen das kühle Bier der Hallenbar.
      Dieser Jussuf! Anora lächelte. Oh, er konnte aufdringlich sein in seiner Wißbegier über den Fortgang der Ausgrabungen. Er witterte offenbar touristische Leckerbissen, ließ seine Phantasie bereits flat tern; denn selbstverständlich waren ihm die besonderen Vorgänge um diese eine Grabstätte nicht entgangen. Wer weiß, welche Legende er sich ausdenken würde, was für ein Anekdotengeranke er manchem Nichtsahnenden um den kleinen Kern Wahrheit herum winden wür de. Anora dachte an die Schnurren und Witzchen, die er am laufen den Band von sich zu geben wußte. Und wenn er bei jemandem, den er für eine Persönlichkeit hielt und dessen individuelle Führung er sich nicht nehmen ließ, auf Interesse für Besonderes stieß, wuchs er gleichsam über sich selbst hinaus. Der Einfachheit halber ließ er in all den meist deftigen Geschichten als Pointenträger den legendären asiatischen Schalk Nasreddin agieren, was ihm wohl letztlich seinen Spitznamen eingebracht hatte.
    Obwohl es Jussuf augenzwinkernd mit dem historisch Verbrieften und auch der Chronologie nicht allzu genau nahm, Anora konnte ihm stundenlang zuhören. Mehrfach hatte Intourist ihn ausgezeich net als eine Art Fremdenführer-Aktivisten, und stolz trug er die blank geputzten Orden; denn wo es wirklich darauf ankam, konnte er sehr wohl in aller gebotenen Sachlichkeit darlegen, wenn auch nicht gänzlich ohne seine Witzeleien, was man über die Geschichte wußte. Was Wunder, wenn für so manchen Chiwabesucher die Stadt und Jussuf zu einem Komplex verschmolzen. Denn auf jeden Fall verstand er es, der drückenden Sonne Paroli zu bieten, aufzumun tern, den Rundgang so oder so zu einem Erlebnis zu machen.
      Anora stand vor dem Grab und nahm sich vor, Jussuf, sobald sich die Kenntnis über den Fund gefestigt haben würde, persönlich die Fakten mitzuteilen.
      Sie begrüßte Boderow, der träge am Gemäuer lehnte und mit Brot krumen zwei verspätete

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