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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Inhalt in die Kiste und diese wiederum in das Fahrzeug bugsieren könnte. Als sie glaubte, die Lösung zu haben, setzte sie sie sofort in die Tat um, und sie verließ den Raum, sicher, daß die alte zuverlässige Maschine auch ohne den kontrollie renden Blick ihr Programm abspulen würde.
      Zunächst fuhr Anora den Lieferwagen mit dem Heck voran an die Terrasse heran, die auf gleichem Niveau wie das Labor lag.
      Schon mehr Vorbereitung bedurfte der nächste Schritt. Da war das pseudofolkloristische Geländer aus massivem, ornamentgesägtem Holz. Der Einfall kam schnell, und Minuten später schnitt Anora mit der Handkreissäge aus Vaters kleiner Werkstatt ein meterlanges Feld aus der Umfriedung. Die Späne pustete sie weg, und die Schnittflächen dunkelte sie mit einer Handvoll Gartenerde ein. Und sie bereitete zwei Metallbänder vor, die anschließend das Ganze hal ten würden.
      Ein Armvoll runder Pflöcke, die sonst junge Pflanzen stützten, vollendete Anoras Vorbereitung.
    Als sie – bis auf das Verladen – abreisefertig zurück ins Labor kam, arbeitete der Computer das letzte Band ab. Jetzt setzte sich Anora, um Kräfte zu sammeln.
      Ein letztes Klicken mit auslaufendem Surren beendete den Elektro nenfluß von der Maschine zu Omar, der jetzt – Anora hoffte es in ständig – nicht mehr Omar war.
     »Wer aber sollte er sein?« Nasreddin richtete sich auf den Knien auf, rückte nahe an die Frau heran, sah zu ihr auf. Für einen Außenstehenden mußte dies ein merkwürdiger Anblick sein.
     Die Frau rutschte von der Mauer, legte dem Mann die Hand auf die Schulter. »Geduld, Geduld, die Geschichte ist gleich zu Ende.«
     Mit sanfter Gewalt zwang sie Nasreddin, sich neben sie zu setzen und an die Mauer zu lehnen. Dann fuhr sie fort, ein wenig hastig.
      Sie hatte die Struktur des Gehirns, dessen gesamtes Erleben und Erinnern, aus dem Chiwa-Kopf dem Hirn des unglücklichen Omar aufgeprägt, so daß – das jedenfalls war ihre Absicht – im Grunde genommen dieser den Kopf dessen trug, den man zusammen mit der schönen Geliebten enthauptet hatte…
    Beruhige dich, noch einige Minuten, Nasreddin…
      Sie schaltete ab, zog sorgfältig die Elektroden. Omar zeigte keine Regung, es hatte den Anschein, als schliefe er friedlich, und mit gro ßer Befriedigung stellte Anora fest, daß der stumpfe Gesichtsaus druck auch nach dem Abschalten nicht zurückgekehrt war in dieses Gesicht.
    Anora tupfte auf die winzigen Löcher im Schädel eine entzün dungshemmende und gleichzeitig die Wunden verschließende Salbe. Zu einem Verband konnte sie sich nicht entschließen. Es kam darauf an, daß die winzigen Wunden schnell heilten.
      Soviel Zeit nahm sich Anora, um Spuren, die auf ihre tatsächliche Arbeit hingewiesen hätten, sorgfältig zu beseitigen. Sie wollte kei neswegs riskieren, daß, erfolgte etwa eine gründliche Suche nach Omar, man ihr Laboratorium als seinen letzten Aufenthaltsort er kennen würde.
      Dann bugsierte sie den schweren Mann in die mit einem großen Leintuch ausgelegte Kiste, indem sie zuerst seine Beine von der Liege herunterzog und dann unter immenser Kraftanstrengung den übri gen Körper hinterhergleiten ließ. Danach leitete sie ihren großen Schmuggeltrick ein: Mit vorbereitetem Schaumstoff glich sie die Maßunterschiede zwischen Kopf und Schultern so aus, daß bei über gebreitetem Tuch der Eindruck entstand, es läge da in der Kiste ein etwas lang geratener Rumpf ohne Kopf. Und diesem Rumpf setzte Anora den Chiwa-Kopf auf, stopfte ihn sorgfältig mit Tüchern und Zellstoff fest, daß er während des Transports keinen Schaden nähme und daß die Zöllner den Eindruck von etwas sehr Kostbarem, das man tunlichst nicht anfaßt, erhielten. Um diesen Eindruck zu ver stärken, überdeckte Anora das nun wieder mumienhafte Gesicht mit einer gebogenen Platte aus organischem Glas, die sie mit den Kis tenwänden einschob. Einen Augenblick betrachtete sie wohlgefällig ihr Werk, bis sie die Kiste verschraubte. Auch das gehörte zu ihrem Täuschungsmanöver.
    Das übrige ging leichter, als sie vermutet hatte. Auf den Pflöcken rollte die Kiste spielend über den kurzen Korridor zum Auto. Selbst das ständige Vorräumen der Rollen ging rasch und ohne daß sich die junge Frau besonders anzustrengen brauchte. Dennoch geriet sie in der stechenden Mittagssonne arg ins Schwitzen, bevor sie die Heck tür des Fahrzeugs zuklappen konnte.

      Schnell setzte Anora das Geländer wieder ein, beseitigte Spuren,

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