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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Augenblick verhielt sie, dann arbeitete sie rasch; jeder Handgriff saß, ihr Denken be schränkte sich ausschließlich auf die durch das Experiment vorge schriebenen Schritte. Zweifel, Bedenken, hatte es sie jemals gegeben?
    Sie zog die Spritze auf und verabreichte Omar eine betäubende In jektion, nicht weil sie sehr Schmerzhaftes an ihm zu vollziehen ge dachte, sondern weil sie vermeiden wollte, daß Omar in den nächsten Stunden erwachen und in seiner unkontrollierbaren Art das Expe riment in der letzten Minute zunichte machen könnte.
      Das Setzen der Sonden war der schwierigste Teil. Anora stülpte Omar die am Chiwa-Kopf entstandene Schablone über und bohrte unter örtlicher Betäubung mit dem Laserskalpell die feinen Löcher durch die Schädeldecke.
      Obwohl sie alles gut vorbereitet hatte, benötigte sie über neunzig Minuten, bis nach dem vorbestimmten Muster die Perforation voll endet war. Sie gönnte sich keine Pause, streckte sich nur kurz, dann drückte sie die haardünnen Sonden in Omars Kopf. Tiefe und Rei henfolge hatte sie markiert, so daß sie schnell vorankam.
      Nach einer weiteren Stunde war Omar – wie vor wenigen Wochen der Chiwa-Kopf – eng verbunden mit dem Computer, bei der jetzigen Anordnung allerdings mit einem zwischengeschalteten Impulsver stärker.
      Und dann entspannte sich Anora doch einige Minuten. Sie kon trollierte Omars Puls, der kräftig und konstant schlug.
      Danach trat sie an das Chemikalienschränkchen, entnahm ihm ei nen guten Weinbrand, genehmigte sich einen kräftigen Schluck aus der Flasche und warf sich in den Sessel.
      Mit geschlossenen Augen blieb sie so einige Minuten sitzen, bis sie das Kratzen des groben Bezugsstoffes des Möbels an ihren nackten Schultern als unangenehm empfand.
      Ruckartig stand Anora auf, trat zu Omar, strich ihm über das star re Gesicht, dessen Mund wie eingefroren halbgeöffnet einfältig lä chelte.
    Langsam vollzog Anora die drei Schritte zum Computer und legte fast wie in Trance den Hauptschalter um. Beinahe gleichzeitig drück te sie den rechten Daumen mit unangemessenem Kraftaufwand auf die Starttaste.
      Während sich bei den leichten chirurgischen Eingriffen der Mann nicht im geringsten geregt hatte, lief jetzt ein Zittern über Körper und Gesicht. Der Kopf zuckte hoch, so daß Anora einen Augenblick befürchten mußte, die feinen Silberdrähtchen könnten abreißen. Dann jedoch, als wäre ein erster Ansturm vorüber, sank Omar in die ursprüngliche Lage zurück, aber ein unaufhörliches Zucken der Ge sichtsmuskeln und der geschlossenen Augenlider blieb. Bereits bei der ersten Welle war das einfältige Lächeln aus Omars Antlitz ge schwunden.
      Auf Anoras Gesicht standen Schweißperlen. Sie kontrollierte die Stromregler, vertrieb den Gedanken, was eintreten würde, fiele die Maschinerie aus.
      Nun lief das Experiment. Aber anders als an jenem Abend, als sie den Kopf abfragte, konnte Anora sich nicht entschließen, untätig zu sein, es sich vielleicht gar bequem zu machen und einzuschlafen – obwohl ihr bewußt war, daß es ebensolange dauern würde wie sei nerzeit, bis der letzte Speicherplatz seine Information abgegeben hat te. Ja – so dachte Anora –, abgeben würde der Computer; würde das Gehirn aber auch aufnehmen?
      Sie musterte wieder Omars Gesicht, hatte unbedingt den Eindruck, daß es jetzt viel mehr dem aus der Gruft ähnelte als vordem. Oder bilde ich mir etwas ein?
      Anora fühlte sich anders als bei jedem der vielen Experimente vor her. Freilich, die hatte sie ausschließlich mit Tieren gemacht. Aber auch da war doch bereits der Kitzel, etwas Neuem, vielleicht Großem auf der Spur zu sein. Warum dieses Zweifeln? Das Nachher ist es!
    Wenn man die Ursache mancher Wirkung kennt, kann man sie besser bekämpfen. Wieder verscheuchte Anora das Grübeln, gab sich forsch und begann, dieses ungewisse Nachher konkret vorzubereiten. Sie wußte, daß sie dann, wenn sie die Sonden gezogen haben würde, keine Zeit verlieren durfte. Die Narkose würde noch achtzehn Stun den anhalten. In dieser Zeitspanne mußte sie den Wagen beladen und die riesige Strecke nach Chiwa zurücklegen. Dazwischen aber lag der – und nicht nur zeitliche – Unsicherheitsfaktor Grenze. Also!
      Anora zerrte die sargähnliche Transportkiste in den Raum, blieb davor, sich an der Schläfe kratzend, stehen. Nur ab und an ging ihr Blick über die Apparate, flüchtig kontrollierend. Im übrigen überleg te sie bedächtig, wie sie den

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