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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wohl auch nicht
der verkehrteste. Ihr habt uns in den letzten Jahren eine Menge wertvoller Dienste erwiesen.«
»Dann ist es wahr?«, erkundigte sich Andrej in ungläubigem Ton.
»Ihr habt tatsächlich von Abu Dun und mir gehört?«
»Ihr solltet den Orden niemals unterschätzen, Andrej Delãny«, antwortete Starkey mit sonderbarer Betonung. »Unsere Macht ist vielleicht nur noch ein schwacher Abglanz dessen, was sie einmal war,
doch unsere Gemeinschaft ist sehr alt, und wir haben immer noch
überall auf der Welt Freunde.«
»Und vor allem Augen und Ohren«, vermutete Andrej.
»Und vor allem Augen und Ohren«, bestätigte Starkey. »Ich werde
allerdings keine Frage dazu beantworten, also spart Euch Euren Atem. Doch vielleicht war es kein Zufall, dass Ihr auf der Suche nach
einem sicheren Ort ausgerechnet hierher gekommen seid.«
Davon war Andrej schon längst überzeugt. Er hielt sich jedoch an
Starkeys Rat und verbiss sich eine entsprechende Frage.
Abermals verging eine geraume Weile, in der der Engländer einfach dastand und schweigend zu den Hügeln hinüberblickte.
Schließlich fragte Andrej: »Worauf wartet Ihr?«
»Vor einer halben Stunde kam eine Botschaft Mustafa Paschas«,
antwortete Starkey, ohne den Blick von den mittlerweile nur mehr zu
erahnenden Hügeln zu lösen. »Er hat den Großmeister aufgefordert,
bei Sonnenuntergang hierher zu kommen. Es würde ein Schauspiel
geben, hieß es, das er eigens für den Herrn des Johanniterordens arrangiert hat.«
»Und Ihr seid nicht auf die Idee gekommen, dass es sich um eine
Falle handeln könnte?«, fragte Andrej besorgt.
Starkey nickte. »Selbstverständlich. Aus diesem Grund bin ja auch ich gekommen und nicht unser Großmeister. Und natürlich«, fügte er
in verändertem Ton hinzu, »weil ich mir dachte, dass Ihr die eine
oder andere Frage habt.«
»So?«, murmelte Andrej. Intuitiv spürte er, dass Starkey die Wahrheit sagte. Wieso fühlte er sich dann mit jedem Moment unwohler?
»Warum tötet Ihr Geschöpfe Eurer eigenen Art?«, fragte Starkey.
»Tut Ihr das nicht auch?«
Starkey schüttelte heftig den Kopf. »Das ist etwas anderes. Wir töten einander, weil wir an verschiedene Dinge glauben. Aber woran
glaubt Ihr, Andrej Delãny?«
»Bestimmt nicht an dasselbe wie der Dämon oder die anderen, die
ich getötet habe«, antwortete Andrej heftig.
Er hatte den Eindruck, dass der Engländer genau diese Reaktion
erwartet hatte. »Und doch seid ihr euch ähnlicher, als du vielleicht
selbst weißt, Andrej.«
Der Wechsel zum vertraulichen du ging so beiläufig vonstatten,
dass Andrej nun sicher war, dass sich Starkey lange und intensiv auf
dieses Gespräch vorbereitet und sich jedes einzelne Wort genau zurechtgelegt hatte.
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte er direkt.
»Ich kann mich darauf verlassen, dass dieses Gespräch unter uns
bleibt?«, gab Starkey anstelle einer Antwort zurück.
Andrej nickte.
»Du erinnerst dich an die hässliche Szene in der Pulverkammer?«,
fragte Starkey. »Ich habe das Entsetzen in deinen Augen gesehen, als
du die Worte unseres Großmeisters gehört hast. Dass er sich selbst
mit dem Teufel einlassen würde, könnte er auf diese Weise das Leben all dieser unschuldigen Männer und Frauen hier retten.« Er
schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. »Nun, das war
nicht die Wahrheit. Unser Großmeister würde alles in seiner Macht
Stehende tun, um dieses sinnlose Töten zu beenden. Ginge es nur um
sein Leben, würde er es zweifellos ohne Zögern opfern. Niemals aber
würde er sein Seelenheil dem Teufel verpfänden, egal, um welchen
Preis. Ich war selbst erschrocken. Ich glaube, er hat es nur gesagt,
weil er sich so maßlos über Romegas geärgert hat.«
»Und Ihr, Sir Oliver?«, wollte Andrej wissen.
»Ich bin niemals in die Verlegenheit gekommen, mir diese Frage
allen Ernstes stellen zu müssen«, erwiderte Starkey und hob die
Schultern. »Um ehrlich zu sein - ich weiß die Antwort nicht.«
»Und dennoch habt Ihr Euch mit uns eingelassen?«
Zu seiner Überraschung lächelte Starkey. »Oh, das ist mir nicht
schwer gefallen. Zumal ich weiß, was ihr wirklich seid, du und dein
Freund.«
»Seid Ihr da ganz sicher?«, gab Andrej zurück. Wieder verspürte er
ein eisiges Frösteln, das nicht von der kühlen Brise stammte, die der
Wind jetzt, nach Einbruch der Nacht, über das Meer herantrug. Er
erinnerte sich an etwas anderes, das La Valette unten in der Pulverkammer gesagt hatte. Andrej Delãny und sein

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