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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schütteln. »Im Gegenteil«, versicherte er, obwohl Julia so
gut wie er wusste, dass er noch nicht einmal davon probiert hatte.
»Aber vergesst den Herrn, Julia. Mein Name ist Andrej. Ich bin kein
Edelmann.«
»Aber Ihr… du«, verbesserte sich Pedro rasch, »trägst die Kleider
eines Ritters.«
»Irgendwie bin ich wohl auch einer«, seufzte Andrej. »Aber andererseits auch wieder nicht. Jedenfalls nicht«, fuhr er nach einem hörbaren Einatmen und in verändertem Ton fort, »solange ich hier bin.
Im Haus eines Freundes sollten Ränge nicht zählen und Kleider noch
viel weniger.«
Ein seltsamer Ausdruck trat in Julias Augen, aber sie schluckte die
Frage herunter, die ihr sichtlich auf der Zunge lag, und begann ebenfalls zu essen.
Andrej fragte sich, was Abu Dun ihr und ihrem Sohn über ihr früheres Leben erzählt haben mochte. Nicht viel, vermutete er, ebenso
wie der Nubier ihm nicht viel von seiner neuen Familie und dem
Leben, das sie miteinander führten, erzählte. In den drei Jahren, die
sie auf Malta weilten, hatten sie sich immer seltener gesehen.
Während einer Spanne, die ein Vielfaches eines normalen Menschenlebens zählte, hatten sie nahezu jede Minute miteinander verbracht und waren selten länger als einige Tage voneinander getrennt
gewesen, sodass Abu Dun zu einem ganz selbstverständlichen Teil
seines Lebens geworden war. Mit seinem Eintritt in den JohanniterOrden hatte sich das geändert. La Valette hatte - widerwillig und nur,
weil Andrej dies zur Bedingung gemacht hatte - zugestimmt, den Mohren, wie er ihn nannte, auf seiner Insel zu dulden, allerdings
nicht in einer der Ordensfestungen.
Andrej mutmaßte, dass der Nubier sich der jungen Witwe und ihres
Sohnes am Anfang aus Mitleid angenommen hatte; vielleicht auch
aus Trotz. Doch was immer es gewesen sein mochte - ein einziger
Blick in die Gesichter der beiden reichte als Beweis, dass mehr daraus geworden war. Erneut verspürte er ein Gefühl, das er bisher so
nicht gekannt hatte und von dem er sich verbissen weigerte zuzugeben, dass es nichts anderes als Eifersucht war. Er gönnte Abu
Dun das kleine Glück, das er gefunden hatte, von Herzen, aber es zu
sehen, machte es umso schwerer, es zu ertragen.
Sie aßen schweigend zu Ende. Nach der Fischsuppe gab es selbst
gebackenes Brot und frisches Obst. Schließlich trug Julia eine Süßspeise auf, von der Andrej nicht wusste, was sie enthielt, die aber so
köstlich schmeckte, dass er sich gleich zweimal Nachschlag geben
ließ.
Sie sprachen über dies und das. Vor allem Pedro wurde nicht müde,
ihn nach ihren Abenteuern während der Reise nach Konstantinopel
auszufragen, was Andrej anfangs genoss, ihn aber mehr und mehr in
Verlegenheit zu bringen begann. Es war nicht nur, dass er vieles von
dem, was sie erlebt und gesehen hatten, nicht erzählen durfte - noch
mehr konnte er nicht erzählen, ohne mehr von alldem preiszugeben,
was Abu Dun offensichtlich vor seiner Familie geheim hielt. Schließlich - es begann schon zu dunkeln - schob er seinen geleerten Teller
von sich und stand auf.
»Es ist spät geworden«, sagte er. »Zeit zu gehen.«
»Aber es ist doch noch früh!«, protestierte Pedro enttäuscht. »Die
Sonne ist gerade erst untergegangen! Und es ist ein so schöner Abend!«
Andrej lächelte flüchtig. »Man soll dann gehen, wenn es am
schönsten ist«, sagte er.
»Warum?«, fragte Pedro verständnislos.
»Weil es besser ist, eine schöne Erinnerung mitzunehmen, als zu
warten, bis der Gastgeber froh ist, dass man geht«, antwortete Andrej
mit übertrieben ernstem Gesichtsausdruck und einem angedeuteten
Augenzwinkern. Er trat einen Schritt vom Tisch zurück und wandte
sich wie beiläufig an Abu Dun. »Begleitest du mich noch ein kleines
Stück?«
Der Nubier stand wortlos auf. Auch Julia wollte sich erheben, hielt
aber mitten in der Bewegung inne und ließ sich wieder auf ihren
Stuhl sinken, als Abu Dun ihr ein kaum merkliches Kopfschütteln
zukommen ließ.
»Aber Herr!«, flehte Pedro. »Andrej!«
Julias Miene verfinsterte sich, doch Andrej wollte nicht, dass der
Abend mit einem Missklang endete. Begütigend hob er die Hand.
»Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er, »vorausgesetzt, deine
Mutter hat nichts dagegen.«
Julia sah ihn aufmerksam und fragend an. Auch Abu Dun legte den
Kopf auf die Seite. Seine Augen wurden schmal.
Andrej deutete auf die Muskete, die an der Wand hing. »War das
die Waffe deines Vaters?«, fragte er. Pedro nickte, und Andrej

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