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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fragte Abu Dun. »Wir haben kein
Schiff, und ich fürchte, weder ich noch Julia und Pedro können über
das Wasser wandeln wie euer Heiland.«
Andrej blieb ernst. »Dann werden wir eines stehlen«, sagte er und
fügte mit einem spöttischen Verziehen der Lippen hinzu: »Auch
wenn ein solch schändliches Verbrechen zweifellos lange auf deiner
Seele lasten wird.«
»Und wohin sollen wir gehen?«, fragte Abu Dun. Er erwartete keine Antwort auf seine Frage, denn er schnitt Andrej mit einem harschen Kopfschütteln das Wort ab und fuhr ohne Pause fort: »Ich habe
bereits mit ihr darüber gesprochen, Andrej. Schon vor unserer Reise
nach Konstantinopel. Und ich kenne Julia. Sie wird ihre Heimat nicht
verlassen. Und selbst wenn - welches Leben könnte ich ihr und dem
Jungen schon bieten? Soll sie die restlichen Jahre ihres Lebens an
unserer Seite auf der Flucht verbringen?«
»Aber sie hätte wenigstens noch einige Jahre«, widersprach Andrej,
obwohl er längst wusste, wie sinnlos jedes weitere Wort war. »Malta
wird fallen, Abu Dun, das weißt du.«
»Die Burg deiner Ordensbrüder vielleicht«, antwortete Abu Dun.
»Diese Stadt…« Er hob die Schultern. »Sie ist von keinerlei strategischem Wert und es würde den Truppen des Sultans keinen Nutzen
bringen, sie zu schleifen und ihre Einwohner zu töten.« Er sah Andrej in die Augen. »Wenn es gut für deinen Seelenfrieden ist, Hexenmeister, dann verspreche ich dir, noch einmal mit Julia darüber zu
reden, aber ich kenne ihre Antwort bereits. Mach dir keine Sorgen.
Ich werde sie und den Jungen ins Innere der Insel bringen, sollte die
Lage wirklich gefährlich werden. Ich passe schon auf sie auf.« Sein
Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Aber wenn wir
schon einmal dabei sind: Wirst du hier bleiben?«
Andrej antwortete nicht darauf. Ganz einfach, weil er die Antwort
selbst noch nicht kannte.
23. April 1565, später Morgen auf einem Hügelkamm südöstlich
von Birgu
    Missmutig blickte Andrej zum Himmel hinauf. Zumindest auf sein
Pech konnte er sich blind verlassen. Es war ein windiger Morgen und
über dem Meer ballten sich dunkle Wolken zusammen, die ihm klar
machten, dass der Tag noch unangenehmer weitergehen würde, als er
ohnehin schon begonnen hatte. In längstens einer Stunde würde es
anfangen zu regnen, und seine feinen Sinne verrieten ihm, dass aus
diesem Regen mit großer Wahrscheinlichkeit spätestens bis zur Mittagsstunde eines der schweren Gewitter werden würde, die die Küste
Maltas zu dieser Jahreszeit regelmäßig heimsuchten. Das ideale Wetter, um diesen Grünschnäbeln das Schießen beizubringen, dachte er
griesgrämig. Warum hatte er sich bloß darauf eingelassen? Und das
ganz freiwillig… La Valette hatte ihn gebeten, diesen Drill abzuhalten, es ihm aber keineswegs befohlen.
    Er sah zu den Männern hinüber, die in einer unordentlichen Reihe
vor ihm angetreten waren. Es waren zum größten Teil gedrungene
Gestalten mit wettergegerbten Gesichtern und kräftigen Händen. Fischer, Schmuggler und Bauern, aus denen nun in wenigen Tagen
Soldaten werden sollten. Barfüßig, mit abgerissenen Kleidern, mit
Kopftüchern oder Strohhüten, ging ihnen jegliche militärische Erscheinung ab. Die meisten starrten ihn trotzig an, einige sogar hasserfüllt. Auch wenn er am Abend zuvor Pedro gegenüber dasselbe Wort
benutzt hatte, dessen sich La Valette ihm gegenüber bedient hatte -
Freiwillige -, so bezweifelte Andrej, ob man auch nur einen einzigen
von ihnen gefragt hatte, ob er an dieser Schießübung teilnehmen
wollte.
    Andrej war über seine Truppen noch weit weniger glücklich als über die schwarzen Regenwolken, die sich einem düsteren Omen
gleich über dem Meer zusammenzogen. Er hatte genügend Erfahrung
im Umgang mit Männern wie ihnen, um zu wissen, dass das, was er
tat, im Grunde ein schwerer Fehler war. Auf solche Männer war
nicht nur kein Verlass, wenn es ernst wurde, sie stellten sich nur zu
oft ganz im Gegenteil als Gefahr heraus.
    Lässig auf die schweren Musketen gestützt, die ihnen Andrej und
die beiden Soldaten in seiner Begleitung ausgehändigt hatten, starrten sie ihn respektlos und aufsässig an, begierig darauf, dass er einen
Fehler beging. Es war gut, Abu Dun und Pedro unter diesem Haufen
zu wissen; auch wenn der eine ein Muselman war, dem vermutlich
jeder zweite Mann aus der Freiwilligen-Armee versehentlich in den
Rücken schießen würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekam, und
der andere

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