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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kaum mehr als ein Knabe.
    Ein leises Donnergrollen rollte vom Meer heran. Andrej nutzte den
Moment, in dem die meisten Männer ihre gemurmelten Gespräche
unterbrachen und erschrocken hochsahen, um das Wort zu ergreifen.
    »Wer von euch schon einmal eine Pulverwaffe abgefeuert hat, tritt
einen Schritt vor.«
Pedro machte stolz einen großen Schritt nach vorne und strahlte ihn
an. Andrej hatte ihm keine Waffe gegeben, doch er hatte die Büchse
seines Vaters mitgebracht. Außer ihm meldete sich niemand.
»Zählen auch Faustrohre?«, wollte ein blonder Kerl mit lockigem
Bart und schlechten Zähnen wissen.
»Alles, was Funken sprüht und Lärm macht«, entgegnete Andrej.
Einige der Männer grinsten schief. Hier und da entstand eine kurze
Diskussion, dann traten weitere sieben oder acht Männer vor. Mindestens die Hälfte von ihnen sah aus, als wüssten sie nicht einmal
genau, an welchem Ende man ein Gewehr anfasst. Abu Dun rührte
sich nicht von der Stelle, obwohl Andrej wusste, dass er ein ausgezeichneter Schütze war.
Dasselbe galt auch für ihn selbst. Dass er Feuerwaffen ebenso verabscheute wie der nubische Riese, bedeutete nicht, dass er damit
nicht umgehen konnte.
»Gut«, erklärte er mit einem breiten, betont zufriedenen Lächeln.
»So wie es aussieht, werde ich wohl heute Abend um ein paar Goldmünzen reicher sein.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte der Blonde mit den schlechten Zähnen, der sich offensichtlich als Wortführer der kleinen Gruppe fühlte.
»Nun, die meisten meiner Brüder waren der Meinung, dass ihr ein
Haufen unfähiger Feiglinge seid und eure Händel nur mit Fäusten
und allenfalls Messern auszutragen versteht. Einer meinte sogar, dass
ich eher den Fischen das Fliegen beibringen würde, als euch das
Schießen. Ich habe mir erlaubt, gegen sie zu wetten.«
»Warum ist Euer… Bruder dann nicht selbst gekommen, um sich
davon zu überzeugen, wie gut wir mit Fäusten oder Messern umzugehen verstehen?«, fragte der Blonde lauernd. Etliche seiner Begleiter murrten zustimmend. Einer ließ demonstrativ seine Muskete in
den Staub fallen, drehte sich um und ging. Einen Moment lang überlegte Andrej, ihn zurückzurufen, entschied sich aber dann dagegen.
Nicht aus Angst, dass der Mann nicht gehorchen würde. Sorgen bereitete ihm eher der Gedanke, dass er es täte. Es war ihm lieber, die
Männer liefen jetzt davon als später, wenn es tatsächlich zum Kampf
kam.
»Und warum kämpfen Eure Brüder ihren Kampf nicht selbst?«,
fuhr der Blonde fort. Möglicherweise legte er Andrejs Reaktion als
Schwäche aus oder er war einfach nur dumm.
»Das werden sie tun, keine Sorge«, antwortete Andrej ruhig. »Ich
zwinge keinen von euch, hier zu bleiben. Unser Großmeister war
lediglich der Meinung, ihr würdet es vorziehen, euch verteidigen zu
können, statt mit leeren Händen dazustehen, wenn die Flotte des Sultans eintrifft.«
»Stimmt es eigentlich, dass der Sultan gegen Euch Ritter in den
Krieg zieht, weil Ihr ein Handelsschiff gekapert habt, das dem obersten Eunuchen und den Damen des Harems gehörte?«, fuhr der Blonde fort. Andrej korrigierte seine Einschätzung. Er war dumm.
Gelassen zuckte er mit den Schultern. »Gerüchte.« Natürlich wusste
er es besser. Andrej selbst hatte eine der drei Galeeren befehligt, die
das große Kauffahrtsschiff, das sich auf dem Rückweg von Venedig
befand, aufgebracht hatten. Die Beute, die sie dabei gemacht hatten,
hatte alles in den Schatten gestellt, was er bislang gesehen hatte. Was
sie damals nicht wussten, war, dass der oberste Eunuch des Sultans
und fast alle bedeutenden Haremsdamen Anteile an diesen Waren
gekauft hatten, um von den Gewinnen zu profitieren, die in Konstantinopel damit zu erwirtschaften waren. Ihr Zorn hatte sicherlich keinen geringen Anteil an der Entscheidung des Sultans gehabt, Malta
endlich anzugreifen.
»Da habe ich etwas anderes gehört«, fuhr der Blonde fort. Er sah
sich Zustimmung heischend um. »Hat einer von euch auch nur einen
Silberpfennig von der Beute der edlen Ritter zu Gesicht bekommen?«
Andrej fing einen besorgten Blick aus Abu Duns Augen auf. Der
nubische Hüne stand in der zweiten Reihe und begann sich nun mit
zufällig wirkenden Bewegungen dem Blonden zu nähern.
»Die Türken kommen also, weil unsere feinen Ritter im Grunde
nichts anderes als Piraten sind«, fuhr der Blonde in herausforderndem Ton fort. »Nun sagt uns einmal, Chevalier, warum sollten wir
auch nur einen einzigen Musketenschuss abgeben,

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