Der Gejagte
sagen konnte, hob Starkey abermals die Hand und brachte ihn zum
Schweigen. Das zornige Blitzen in seinen Augen galt jedoch im gleichen Maße auch Andrej. »Meine Herren!«, sagte er streng. »Ich befehle Euch, mit den albernen Streitereien aufzuhören! Zumal Ihr in
den nächsten Tagen eng zusammenarbeiten werdet.«
Andrej war mindestens ebenso überrascht wie Romegas. »Wie bitte?«, entfuhr es ihm.
»Es wissen schon viel zu viele von diesem schrecklichen Geheimnis«, antwortete Starkey. »Chevalier Romegas und Ihr, Andrej Delãny, werdet diesen Attentäter suchen und unschädlich machen.
Nehmt Euch so viele Männer, wie Ihr zu brauchen glaubt, aber so
wenige wie möglich. Ich will den Kopf dieses Attentäters auf den
Zinnen des Forts aufpflanzen, noch bevor der Angriff beginnt.«
Er wartete einen Moment lang vergebens darauf, dass Andrej oder
Romegas etwas sagten oder auf andere Weise reagierten, dann nickte
er La Valette fast unmerklich zu und die beiden Männer verließen die
Pulverkammer. Romegas schloss sich ihnen an, ohne Andrej auch
nur eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen. Andrej wartete, bis
sie den kahlen Vorraum fast durchquert hatten, bevor er den Engländer noch einmal zurückrief. »Sir Oliver - auf ein Wort, bitte.«
Starkey blieb tatsächlich stehen, drehte sich aber mit allen Anzeichen deutlichen Widerwillens zu ihm um. Auch Romegas zögerte
kurz, ging dann aber weiter, als Starkey ihm einen entsprechenden,
unwilligen Wink gab. Andrej wartete, bis der Großmeister und Romegas auf dem Gang und außer Hörweite waren.
»Was gibt es denn noch, Delãny?«, fragte Starkey unwirsch.
»Wenn Ihr Euch über Eure Zusammenarbeit mit Chevalier de Romegas beschweren wollt, dann spart Euch Euren Atem. Jeder Mann hier
weiß, wie Ihr zueinander steht, doch auf solcherlei Empfindlichkeiten können wir keine Rücksicht nehmen.«
»Darum geht es nicht«, erwiderte Andrej. »Es geht um Pedro.«
Starkey runzelte die Stirn. »Pedro? Ah ja, der Junge Eures muselmanischen Freundes, nicht wahr?«
»Der Sohn einer maltesischen Witwe«, korrigierte ihn Andrej sanft.
»Habt Ihr ihn gefunden?«
Er hatte fest damit gerechnet, dass Starkey diese Frage rundheraus
verneinen würde und sie im Grunde nur gestellt, weil er das Gefühl
hatte, es Abu Dun und Julia schuldig zu sein. Zu seiner Überraschung nickte der Brite jedoch. »Ja«, sagte er, »macht Euch keine
Sorgen. Es geht ihm gut.«
»Wo ist er?«, fragte Andrej.
»An einem sicheren Ort«, antwortete Starkey. »Ihm wird nichts geschehen.«
»Solange La Valette nichts geschieht«, vermutete Andrej.
Starkeys Augen blitzten zornig auf. »Was erdreistet Ihr Euch, Delãny?«, schnappte er. »Der Junge ist in Sicherheit und ihm wird kein
Haar gekrümmt, so oder so.« Seine Stimme wurde eine Spur leiser.
»Wofür haltet Ihr unseren Großmeister? Für einen Feigling, der ein
Kind als Schild vor sich herträgt?« Er schüttelte heftig den Kopf.
»Gewiss nicht!«
»Warum lasst Ihr den Jungen dann nicht frei?«, fragte Andrej, obwohl er spürte, dass er besser beraten gewesen wäre, nicht weiterzureden.
Starkey wurde jedoch nicht wütend, sondern schwieg für die Dauer
eines Atemzuges und deutete dann ein Heben der Schultern an.
»Nennt es einen… politischen Schachzug, um uns Eurer Loyalität zu
versichern und der Eures heidnischen Freundes. Aber seid gewiss,
dass dem Jungen nichts geschehen wird, ganz im Gegenteil.« Er sah
kurz auf den Gang hinaus, als müsse er sich davon überzeugen, dass
dort draußen tatsächlich niemand stand, der ihnen zuhören konnte,
bevor er mit einem leisen Lächeln hinzufügte: »Vermutlich sind die
Kerker St. Elmos im Moment der sicherste Platz auf dieser Insel,
Delãny. Überstehen wir den Sturm, so wird der Junge unversehrt
entlassen und hatte keine größere Unbill zu erdulden als einige Wochen mit schlechtem Essen und in einem dunklen Verlies zuzubringen. Fallen das Fort und die Insel, so sind die Gefangenen in den
Kerkern vermutlich die Letzten, die den Zorn der Eroberer zu fürchten haben.«
»Lasst mich mit ihm reden«, bat Andrej. Doch diesmal spürte er,
dass er den Bogen überspannt hatte, noch bevor der Engländer antwortete.
»Selbst wenn ich es wollte, könnte ich Euch Eure Bitte nicht erfüllen«, sagte Starkey. »Unser Großmeister hat strengsten Befehl erteilt,
dass niemand mit dem Jungen reden oder auch nur zu ihm gehen
darf.« Plötzlich lächelte er. »Warum liegt Euch so viel an diesem
Knaben? Ihr
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