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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Chormusik.
    Musik aus einer modernen Fabrik! So soll es sein!
    Wariinga hat nun zwei Jahre im Polytechnikum hinter sich, bis zum Abschluß des Kurses fehlt ihr noch ein Jahr.
    Das erste Jahr war für Wariinga das schwierigste - die Studenten in ihrer Klasse machten sich über sie lustig. Als sie jedoch sahen, wie sich Wariinga genau wie sie mit schweren Eisenwerkzeugen abplagte, als sie sahen, wie Wariinga genau wie sie vor den Hochöfen schwitzte, als sie sahen, daß Wariinga jede Arbeit tat, ohne vor irgendeiner Herausforderung zurückzuschrecken, lachten sie immer seltener und schluckten ihre sarkastischen Sticheleien hinunter. Aber alles Lachen und alle Sticheleien hörten mit einem Schlag auf, als die Ergebnisse der ersten Semesterprüfungen bekanntgegeben wurden und Wariinga Vierte in einer Klasse von fünfundzwanzig wurde. Nun stieg Wariinga in ihrer Achtung, und sie begannen, Wariinga als eine der ihren im Kampf mit den Schwierigkeiten auf ihrer aller Reise zu betrachten.
    Wariinga hatte auch Geldsorgen. Normalerweise wurde den meisten Studenten im Polytechnikum das Studium von ihren Arbeitgebern bezahlt, die für die Studiengebühren und alle anderen Kosten aufkamen. Aber Wariinga hatte keinen, der das für sie tat. Sie bezahlte selbst ihren Weg durch das Polytechnikum. Das Geld, das sie während ihrer Zeit als Sekretärin bei der Champion Construction Company gespart hatte, reichte nicht aus, um Studiengebühren, Miete und Essen zu bezahlen.
    Gatuiria hatte angeboten, ihr bei der Miete und den Studiengebühren zu helfen, aber Wariinga hatte abgelehnt. Sie wollte sich weder an Gatuiria noch an irgend jemand anderen mit Stricken der Dankbarkeit für wohltätige Hilfe binden. Eigenständigkeitwar und blieb Eigenständigkeit. Deshalb kam Wariinga nur zurecht, wenn sie alle möglichen Gelegenheitsarbeiten übernahm; sie half in einem Friseursalon, den Leuten schöne Frisuren zu machen, oder sie tippte Forschungsarbeiten oder Dissertationen, die ihr Gatuiria von der Universität brachte.
    Während jenes ersten Jahres wußte Wariinga nicht mehr, was schlafen oder ausruhen war. War sie nicht in der Schule, dann saß sie über ihren Büchern, und saß sie nicht über ihren Büchern, beschaffte sie sich Geld durch Gelegenheitsarbeiten hier und da, und tat sie nichts von alledem, dann war sie in einem Judo- und Karatekurs im Kenya Martial Arts Club im Ngara Viertel zu finden. Wariinga hatte beschlossen, eine Frau müsse in der Lage sein, sich zu verteidigen und in jeder Hinsicht selbständig zu sein.
    Erst im zweiten Jahr drückten die Geldsorgen sie nicht mehr so stark, als es Wariinga nämlich gelungen war, der Mwihotori Kiwanja Garage an der Munyua Road ihre Dienste als selbständiger Mechaniker anzubieten. Wariinga würde niemals jenen Tag vergessen, an dem sie zum ersten Mal an der offenen Werkstatt, wo die Leute im Freien arbeiteten, vorüberging. Es war an einem Freitagnachmittag gegen zwei Uhr. Sie war sehr hungrig. Aber als sie die Männer dort an den Fahrzeugen arbeiten sah, beschloß sie, auf der Stelle zu fragen, ob sie bei ihnen arbeiten könne, um einige Cents zu verdienen. Als sie ihre Bitte hörten, bogen sich die Männer vor Lachen. Einer, der sich unter die offene Haube eines Lastwagens gebeugt hatte, richtete sich auf, schaute Wariinga haßerfüllt an und überlegte, wie er sie beleidigen könne.
    »Mädchen, du solltest lieber Bier in einer Bar verkaufen, hier gibt es keine Jukebox, vor der du dich aufbauen und deine Röcke fliegen lassen kannst, um Männer anzulocken!« Wariinga unterdrückte ihren Ärger, denn ein Bettler muß Beleidigungen ertragen können. Aber sie wollte keinesfalls nachgeben, denn wen es drückt, der geht zur Toilette, da die Toilette nicht zu ihm kommt. »Ich bin nicht hierhergekommen, um meine Röcke fliegen zu lassen oder Männer anzulocken«, erwiderte sie.
    Ein Mechaniker, der unter einem anderen Lastwagen lag, stand auf und rief absichtlich laut und sarkastisch, damit alle ringsum es hören konnten: »Warum kommst du nicht hier rüber und baust diesen Motor aus, der uns schon den ganzen Tag Kopfschmerzen gemacht hat, und sagst uns, wo der Fehler liegt!«
    Wariinga wappnete sich innerlich und fühlte sich plötzlichmutig. Ohne sich von der Stelle zu bewegen, sagte sie dem Mann, es sei nicht nötig, den Motor zuerst auszubauen. Er solle einmal den Motor anlassen, forderte sie ihn mit Nachdruck auf. Als der Motor lief, ging Wariinga näher an ihn heran, und eine volle

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