Der gekreuzigte Teufel
Iregi-Rebellen!
Die Früchte der Arbeit flossen in die eigene Tasche. Aber am Ende eines jeden Monats zahlte jeder Arbeiter einen bestimmtenBetrag in eine gemeinsame Kasse, aus der sie die Grundstückspacht an die Stadtverwaltung Nairobi entrichteten und auch andere Ausgaben beglichen. Hatte einer der Arbeiter unerwartete Ausgaben, so konnte er oder sie sich Geld aus der gemeinsamen Kasse leihen. Und daher lebte keiner in dieser Arbeitsgemeinschaft auf Kosten eines anderen. Jeder erhielt, was ihm gemäß seinen Fähigkeiten, seinem Ruf und der Schnelligkeit seiner Hände zustand. Aber hatte einer von ihnen viele Kunden, dann gab er einen Teil der Arbeit und des Verdienstes an die andern ab, die weniger Kunden hatten. Von diesem ganzen Unternehmen hätten sie nie reich werden können, aber diese Form der selbständigen Arbeit gab ihnen Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Ihr Ziel war es, eines Tages auf diesem Grundstück eine moderne Autoreparaturwerkstatt und Garage zu bauen, die ihnen gemeinsam gehören sollte. Ihr Sprecher hatte bereits Kontakte mit der Stadtverwaltung aufgenommen, und man hatte ihnen das Grundstück versprochen …
Und deshalb war Wariinga während ihres zweiten Ausbildungsjahres entweder im Polytechnikum beim Unterricht zu finden oder in ihrem Zimmer in Ngara, wo sie als Teil ihrer Hausaufgaben Zeichnungen machte, oder aber in der Mwihotori Kiwanjani-Garage.
Und diese Mwihotori-Garage ist das Ziel, dem Wariinga an besagtem Samstag zustrebt, um vor ihrer Reise nach Ilmorog am Nachmittag ihre Arbeit abzuschließen.
Wariinga betritt nun ein Hotel in der Nähe der Garage, denn dort bewahrt sie ihre Overalls und ihren Werkzeugkasten auf. Die meisten der Arbeiter, die ihren morgendlichen Tee im Hotel trinken, kennen sie. Sie scherzen miteinander, und auch mancher Witz über Männer und Frauen wird erzählt. Aber in den Scherzen und deftigen Witzen liegt gegenseitiger Respekt. Sie betrachten Wariinga als eine der ihren. Sie fühlen, daß sie zu ihnen gehört.
Da ist sie nun. Sie hat ihren schmierigen Overall angezogen und überläßt dem Hotel ihren Reisekoffer und ihre Handtasche zur Aufbewahrung.
Nun geht Wariinga hinaus. Sie überquert die Straße. Dort drüben, auf der anderen Seite, liegt die Garage!
Ihr Herz beginnt schneller zu schlagen. Warum stehen die anderen Arbeiter still beisammen wie Trauernde? Warum ist ihr Gesicht verdüstert, so früh am Morgen?
Eile, Wariinga! Beschleunige deinen Schritt, Wariinga! Weiter, Wariinga!
»Was ist los? Warum sind alle so traurig?«
»Frag lieber nicht, Schwester …«
»Nein, sagt mir, was los ist!«
»Unser Grundstück ist verkauft worden …«
»Von wem?«
»Von der Stadtverwaltung natürlich!«
»Und an wen? An wen ist unser Erbe verkauft worden?«
»An Boss Kihara und eine Gruppe von Ausländern aus Amerika, Deutschland und Japan.«
»Boss Kihara?«
»Ja, an den - fast ganz Nairobi gehört ihm … Er hat vor, auf diesem Grundstück ein großes Hotel für Touristen zu bauen.«
»Damit für unsere Frauen auch Möglichkeiten gegeben sind, ihren Körper an Ausländer zu verkaufen!«
»Warum sagen die eigentlich nicht gleich, daß sie eine Fabrik für moderne Prostitution bauen?«
»Ja, du hast recht - diese Touristenhotels sollen dazu dienen, eine ganze Nation von Prostituierten, Dienern, Köchen, Schuhputzern, Bettenmachern und Gepäckträgern heranzuziehen …«
»Du kannst es in einem einzigen Satz sagen: Diener sollen großgezogen werden, um die Launen der Ausländer zu befriedigen.«
Boss Kihara? Das Fest des Teufels? Ausländer? Finanzinstitutionen? Und jetzt Tourismus? Alle diese Fragen wirbeln Wariinga durch den Kopf. Und unvermittelt denkt Wariinga an Muturi, an Wangari und an den Studentenführer - werden sie jemals wieder aus dem Gefängnis entlassen, und wenn ja, wann? Wariinga erstickt fast vor Wut.
»Wenn das Land vom Farnkraut gerodet ist, wächst an Stelle des Farns oft ein Feigenbaum. Beides ist schlecht für das Land. Ich floh vor der Kälte und landete im Eis!« sagte jetzt einer der Arbeiter wie im Selbstgespräch.
»Das Schreckliche dabei ist, daß wir uns die Hände abhacken lassen müssen, ohne Widerstand leisten zu können«, sagt Wariinga, als wolle sie dem anderen Arbeiter antworten, aber Tränen ersticken ihre Stimme.
In sich fühlt sie jedoch den Mut eines Rebellen.
3
Derselbe Samstag, nachmittags. Wariinga und Gatuiria sind unterwegs nach Ilmorog. Gatuiria sitzt am Steuer eines roten Toyota Corolla. Sie
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