Der gekreuzigte Teufel
betrunken sei oder bangh geraucht habe. Nein. Der Grund dafür sind die schrecklichen Dinge, die mir in dem Nairobi, das wir eben hinter uns gelassen haben, widerfahren sind. Haraambe von heute … Ich weiß nicht, wohin es uns führen wird, uns, das kenianische Volk …«
Wangari sprach nicht weiter. Muturi, Wariinga und Gatuiria litten mit ihr, denn das Leid und die Bitterkeit in Wangaris Stimme hatten sie berührt. Der Mann mit der Sonnenbrille zog sich noch tiefer in seine Ecke zurück. Mwaura gab Gas und hoffte, der Wagen würde sie alle in Windeseile davontragen, weg von Wangaris Geschichte. »Meine Güte! Welche bemerkenswerten Dinge sind dir in Nairobi widerfahren und haben dein Herz so schwer gemacht?« fragte Muturi.
»Soll ich das, was Herz und Leib erzittern lassen, bemerkenswert oder entsetzlich nennen?« erwiderte Wangari schnell.
Dann begann sie zu erzählen von den unaussprechlichen Schrecken, mit denen Nairobi, die Hauptstadt Kenias, sie überfallen hatte.
»Nairobi — bis heute weiß ich nicht, welcher Geist mich von Ilmorog nach Nairobi führte. Wo kann heutzutage ein armer Mensch hingehen, um der Armut zu entfliehen? Wo gibt es noch eine Ecke in Kenia, und sei es an der äußersten Grenze, in die er sich flüchten kann? In Ilmorog, Mombasa, Nairobi, Nakuru und Kisumu — an all diesen Orten ist das Wasser für uns Bauern und Arbeiter bitter geworden …
Mein kleines Stück Land, zwei Morgen groß, war gerade von der Kenya Economic Progress Bank versteigert worden, weil ich ein Darlehen nicht zurückzahlen konnte. Das Darlehen über 5000 Shilling hatte ich aufgenommen, um Zuchtkühe kaufen zu können. Ich kaufte Pfosten und Zaundraht. Ich kaufte eine 24Wochen trächtige Kuh. Dann nahm ich etwas von dem Geld, um das Schulgeld für meinen Sohn bezahlen zu können. Die Kuh hatte ein Bullenkalb. Die Milch brachte gerade genug Geld, um der Bank die monatlichen Zinsen zahlen zu können. Dann bekam die Kuh Gallenfieber. Der Tierarzt kam erst, nachdem die Kuh bereits tot und begraben war. Nicht einmal ein Viertel der Schuld hatte ich abbezahlt.
Als nun das Land verkauft war, und ich nichts mehr hatte, worauf ich etwas anpflanzen konnte, und als ich sah, daß es in Ilmorog keine Arbeit für mich gab, dachte ich mir, ich sollte in die Hauptstadt Kenias gehen, um dort eine Stelle zu finden. Warum? Wenn Geld von fremden Ländern geliehen wird, dann geht es nach Nairobi und in die anderen großen Städte. Was die Bauern anpflanzen, das geht auch nach Nairobi und in die anderen großen Städte. Alle Mühsal und Arbeit von uns Bauern dient nur dazu, Nairobi und die großen Städte fett zu machen. Alleine in meiner Hütte sagte ich mir deshalb: In Nairobi werde ich auf alle Fälle Arbeit finden; ich könnte zumindest Büros saubermachen oder Toiletten putzen. Jede Arbeit wäre mir recht, denn von einem geschenkten Stück Fleisch erwartet man nicht auch noch, daß es fett sei. Außerdem gibt es vielleicht in Nairobi keine Diebe und Räuber wie in Ilmorog, wo die Bauern und Arbeiter Tag und Nacht geplagt und belästigt werden. Also band ich einige Cents in mein Tuch und machte mich auf die Reise.
Noch nie in meinem Leben hatte ich einen derartigen Strom von Autos auf der Teerstraße schwimmen sehen — wie eine Überschwemmung im Grasland sah es aus; und Gebäude gab es, höher als der legendäre Kain, von dem es heißt, daß er die Wolken berühren konnte. Nairobi gleicht einem großen Garten aus Stein, Teer und Autos. Als ich all diese Geschäfte, Hotels und Autos sah, sagte ich mir: Unser Kenia hat wahrhaftig Fortschritte gemacht, hier wirst du sicher Arbeit finden. Also betrat ich den ersten Laden, an dem ich vorüberkam. Die Kleider dort leuchteten in allen Farben des Regenbogens. Ein Inder war da. Ich fragte ihn, ob ich für ihn putzen könnte. Er sagte mir, daß er für diese Arbeit in seinem Laden niemand benötige. Ich bat ihn, er solle mich wenigstens den Schmutz seiner Kinder aufwischen lassen. Selbst dafür brauche er niemand, sagte er. Ich trat wieder hinaus auf die Straße und jetzt hielt ich nur nach den ganz hohen Gebäuden Ausschau. So kam ich in ein Hotel. Es war ein großesHotel, so groß wie der Mount Kenya! An den Tischen nur Europäer. Ich ging in ein Büro. Auch dort ein Europäer. Er erklärte mir, daß es keine Arbeit gäbe. Ich sagte ihm, daß es mir nichts ausmachen würde, die Schuhe dieser Weißen zu putzen, und wären sie so zahlreich wie Heuschrecken. Er lachte und sagte, es
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