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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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organisierten Homeguards und Imperialisten sangen das Lied so:

    Eigenliebe und Verrat
    gilt bei den Verrätern des Landes.
    Wir streiten darum, wer die Bohne an sich reißen wird,
    die wir dem Volke stehlen.
    Leute, das Haraambe der Homeguards und Imperialisten war eine Organisation, die auf Bestialität setzte — ein Mann überließ Kinder und Hilfsbedürftige dem Feuer, um in aller Hast das von den Imperialisten Erbrochene und Übriggelassene einzuheimsen. Mau Mau war eine Organisation, die auf Menschlichkeit setzte, denn jene, die dazugehörten, riskierten ihr Leben, um Kinder und Hilfsbedürftige zu verteidigen. Die Organisation der Homeguards wollte das Land an die Fremden verkaufen; die der Mau Mau wollte das Land verteidigen! Junger Mann! Ich habe dir gesagt, daß ich nichts über moderne Haraambes sagen würde. Das Haraambe von heute hat seine Besitzer.«
    Unvermittelt hörte Muturi auf zu reden. Er versuchte nach einer Fliege zu schlagen, die auf seinem Overall saß. Im Wagen herrschte wieder vollkommenes Schweigen. Mwaura war mit den Windungen und Kurven der Straße beschäftigt, die sich an den Hängen von Kineenii entlang zur Talsohle des Rift Valley hinabzog. Die Dunkelheit hatte zugenommen, und Mwaura schaltete das Fernlicht ein.
    Wangari schnalzte mit der Zunge, räusperte sich, und als sie zu sprechen begann, war ihre Stimme voller Bitterkeit:
    »Du sagtest, wenn eine Bohne auf die Erde fiel, dann teilten wir sie untereinander? Du sagtest, wir vergossen Blut für die große Bewegung, die uns, dem kenianischen Volk, gehörte? Für MauMau, für die Bewegung des Volkes, damit unsere Kinder in Zukunft genug zu essen hätten und Kleider tragen würden, die sie vor Kälte schützten; damit sie in Betten ohne Ungeziefer schlafen könnten? Unsere Kinder sollten die Möglichkeit haben, alle Künste zu erlernen, die dem Volk Wohlstand bringen? Sag mir eines — wer, außer einem Narren und einem Verräter, wäre nicht bereit gewesen, sein eigenes Blut für die großartigen Ziele zu opfern? Ich, Wangari, die ihr vor euch seht, war damals ein kleines Mädchen. Aber auf meinem bloßen Leib habe ich viel Munition und viele Gewehre getragen, die ich unseren Freiheitskämpfern in die Wälder brachte … Niemals habe ich mich gefürchtet, selbst dann nicht, wenn ich durch die Linien des ausländischen Feindes und seiner Alliierten, den Homeguards , schlüpfte. Hört Leute, wenn ich mir heute diese Dinge ins Gedächtnis zurückrufe, wird mir schwach ums Herz, und ich möchte weinen! Was hast du gesagt, Muturi? Das moderne Haraambe gehört den Reichen und ihren Freunden?

    Das hast du gut gesagt
    Das hast du gut gesagt.
    Hätte ich Milch,
    würde ich dich darin baden.
    Was soll's … es ist egal … aber, Leute, eine Frage stelle ich mir seit langem: Das Geld, die Tausende und Abertausende, die Tag für Tag gespendet werden — aus welchen Tiefen des Meeres stammen sie? Der Mann, der Tag für Tag Hunderttausende weggeben kann — wie groß ist wohl der Vorrat, den er für sich und seine Kinder zurückbehält? Dieser Garten unaufhörlicher Ernten — was für ein Garten mag das wohl sein? Diese Quelle, die nie versiegt — was für eine Quelle mag das wohl sein? Und die Freunde dieses Mannes, Freunde, die nie ins Licht treten, so daß man sie sehen kann — wer sind sie? Diese Freunde, deren Namen nie an die Öffentlichkeit gelangen — wer mögen sie wohl sein? Wer sind diese Leute, die ihr Geld nur im Schutz der Dunkelheit loswerden? Doch alles, was in der Dunkelheit unter dem Bett geschieht, wird eines Tages vom Gipfel des Berges dem ganzen Volk sichtbar gemacht werden! Ich will euch eines sagen: nicht Geld hat uns im Kampf für die Unabhängigkeit angetrieben, nein, nur Liebe. Aus Liebe zu unserem Land Kenia ließen sich unsere jungen Männer von den Kugeln des Feindes niedermähen, und siewaren nicht bereit, unser Land und seine Erde aufzugeben. Als wir für die Unabhängigkeit kämpften, schauten wir nicht danach, wie einer gekleidet war und sagten: ›Dieser hat zerrissene Kleider an, er soll ins Gefängnis geworfen werden!‹ In Wirklichkeit stand der Mann in der zerrissenen Kleidung an vorderster Front, und das Wort Rückzug kannte er nicht. Aber einer, der eine Krawatte trug, rannte los, um den Hut mitzunehmen, der vom Kopf des Imperialisten gefallen war, als ihn die Kugeln aus unserer Frontlinie und aus den Reservereihen gefällt hatten … Wenn ihr mich so reden hört, Leute, dann denkt nicht, daß ich

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