Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
Vom Netzwerk:
sei nicht möglich. Und die Toiletten für diese Weißen putzen? Nein. Da stand ich nun, noch immer ohne Arbeit. Danach betrat ich einen Laden nach dem anderen auf der Suche nach einem schwarzen Besitzer. Aus der eigenen Familie und Altersgruppe wird man nie ausgestoßen — sind wir schwarzen Menschen nicht alle eines Geschlechts, gehören wir nicht alle zu einer Familie? Ich betrat einen Laden, der nach einem Haushaltswaren- und Gartengeräte-Schuppen aussah. Hacken, Buschmesser, Mistgabeln, Wasserkessel und Kochtöpfe drängten sich in den Regalen. Ein schwarzer Mann. Im Laden war ein schwarzer Mann. Das Licht der Hoffnung brannte wieder heller in meinem Herzen. Ich erzählte ihm von meinen Problemen. Und was glaubt ihr, was er tat? Er bog sich vor Lachen! Er sagte, das einzige, was er mir zu tun geben könne, sei, meine Beine weit zu öffnen, denn Frauen mit einem reifen Körper seien darin Experten. Ich fühlte, wie meine Tränen zu Boden fielen! Weiter wanderte ich durch die Straßen; ich lief und lief und wußte nicht, was ich tun, noch wohin ich mich wenden sollte. Dann sah ich ein Hotel. Ich ging geradewegs hinein. Ich fragte nach dem Büro. Dort traf ich einen schwarzen Mann. Ich fragte ihn nach Arbeit. Er sagte zu mir: ›Warst du nicht schon einmal hier, und der europäische Besitzer hat dir gesagt, daß es hier für deinesgleichen keine Arbeit gibt?‹ Ich erschrak und fürchtete mich. Offensichtlich war ich zum selben Hotel zurückgekehrt, in dem ich zuvor schon einmal gewesen war. Als ich gehen wollte, rief mich der Mann zurück. Er hieß mich auf einen Stuhl sitzen, während er an einen Ort telephonierte, von dem er anscheinend gehört hatte, daß es dort immer Arbeit für Menschen wie mich gäbe. Mein Herz klopfte vor Freude. Die Unabhängigkeit ist wahrhaftig in unser Land gekommen! Mit der Geduld eines Anglers wartete ich auf mein Glück.
    Liebe Freunde, was soll ich sagen — ehe ich zweimal richtig Luft holen konnte kamen Polizisten in das Büro. Der schwarze Mann übergab mich den Männern, die ebenso schwarz waren wie ich. Er gab an, ich hätte im Hotel umherspioniert. Als der europäischeBesitzer gerufen wurde, bestätigte er das Gesagte — ich hätte mich den ganzen Tag im Hotel herumgetrieben, und es sei eindeutig ersichtlich gewesen, daß ich die Absicht hätte zu stehlen. Er klopfte dem schwarzen Mann auf die Schulter, und mit einer Stimme, die durch die Nase zu kommen schien, sagte er zu ihm: ›Gut gemacht, Mr. Mugwate, sehr gut gemacht‹, oder so ähnlich. Und der Polizeiinspektor sagte die ganze Zeit: › Yes, yes, heutzutage machen sich die Diebe und Räuber Frauen wie diese zunutze, um Läden, Hotels und Banken auszuspionieren.‹
    Ob ihr's glaubt oder nicht, ich wurde in ein Polizeifahrzeug geschoben und in eine Zelle gebracht. Ich frage mich noch, ob es eine Zelle war oder vielmehr ein Nest voller Moskitos, Läusen, Flöhen und Wanzen! Keiner kann leugnen, daß ich drei Nächte lang in dieser Zelle geschlafen habe. Ich, Wangari, die niemals auch nur eine einzige Kartoffel von irgend jemand gestohlen hat; ich, Wangari, die unter ihrem Kleid Munition und Gewehre geschleppt hat; ich, Wangari, die sich mit ihrem Leben für dieses Land eingesetzt hat; ich, Wangari, die ihr jetzt mit einem Korb und einem Kitengeumhang vor euch seht, ich verbrachte drei Nächte in der Zelle, umgeben von dem betäubenden Gestank von Kot und Urin!
    Heut früh brachten sie mich vor Gericht wegen beabsichtigten Diebstahls und wegen Herumstreichens in Nairobi, ohne in der Stadt gemeldet zu sein, ohne Arbeitsplatz und festen Wohnsitz und ohne einen Ausweis. Landstreicherei oder so ähnlich nannten sie es. Aber, meine Freunde, stellt euch vor — ich, Wangari, geboren in Kenia als Kenianerin, wie sollte ich Landstreicher im eigenen Land sein? Wie ist es möglich, mich im eigenen Land der Landstreicherei zu bezichtigen, als wäre ich ein Fremder? Ich wies beide Anschuldigungen zurück, denn es ist kein Verbrechen, auf der Suche nach Arbeit zu sein.
    Der Richter war Europäer. Seine Haut war so rot wie die eines Schweines. Seine Nase schälte sich, wie ein Chamäleon, das seine Haut abwirft. Er trug eine dicke Brille. Der europäische Besitzer des Hotels war Zeuge. Mr. Mugwate, dieser Ausländersklave, war ebenfalls Zeuge.
    Der Richter fragte mich: ›Hast du diesem Gericht noch etwas zu sagen, ehe ich das Urteil über dich spreche?‹
    Selbst jetzt, in diesem Augenblick, weiß ich nicht, woher ich den Mut nahm,

Weitere Kostenlose Bücher