Der gekreuzigte Teufel
waren es nun im Ganzen. Der Mann trug einen grauen Anzug, dazu eine Krawatte mit rotem Blumenmuster. In der rechten Hand hatte er einen kleinen schwarzen Lederkoffer mit glänzendem Aluminiumrand. Seine Augen wurden von einer Sonnenbrille verdeckt.
Mwauras Herz schlug schnell. Es kann ja sein, so sagte er sich, daß sich im Verlauf der Reise noch fünf weitere Fahrgäste finden, dann wären es zehn, und das genügte fürs Benzin.
Aber als er nach Mutarakwa in Limuru kam, war er am Verzweifeln. Keine Menschenseele war dort, die in den Westen reisen wollte. Zweifel und Unentschiedenheit befielen ihn von neuem: Soll ich nur um dieser fünf Leute willen in der Nacht nach Ilmorog fahren? Sollte ich nicht lieber sagen, wir hätten einen Motorschaden und könnten nicht weiterfahren, wir sollten deshalb lieber in Kamirithu übernachten und die Reise morgenfortsetzen? Aber eine andere Stimme sagte: »Mwaura, stoße das Glück nicht vor den Kopf. Das Blatt kann sich über Nacht wenden. Verachte auch nicht die kleinste Münze. Je größer der Hintern, desto lauter der Furz. Kleine Bissen stillen auch den Hunger. Jagt einer dem Reichtum nach, so wachsen ihm aus vielen Cents Shillinge in den Taschen.«
Mwaura gab Gas und fuhr los in Richtung Ilmorog mit seinen fünf Passagieren: Wariinga, Gatuiria, dem Mann im blauen Arbeitsanzug, der Frau mit Umhang und Korb und dem Mann mit der Sonnenbrille.
Wie man reist, entscheidet über den Erfolg einer Reise.
4
Die Frau mit Umhang und Korb brach als erste das Schweigen.
Das Matatu hatte Nguirubi passiert, und kurz vor Kineenii räusperte sich die Frau und rief:
»Fahrer!«
»Nenn mich Robin Mwaura«, erwiderte Mwaura leutselig. »Freund, ehe wir zu weit gefahren sind, muß ich dir etwas sagen!«
»Klopfe an, so wird dir aufgetan«, sagte Mwaura in der Annahme, die Frau wolle nur die in Matatus übliche Unterhaltung beginnen. »Im Herzen versteckte Weisheit hat noch keinen Richter überzeugt«, fügte er hinzu.
»So ist's recht, mein Freund. Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt, als sich gegenseitig zu helfen. Ich sitze jetzt in deinem Fahrzeug, aber ich habe keinen Cent, mit dem ich dir meine Reise bezahlen könnte«, sagte die Frau traurig.
»Was sagst du?« schrie Mwaura.
»Ich habe kein Fahrgeld!«
Mwaura bremste unvermittelt. Die Türen an der Seite, an der der Mann mit der Sonnenbrille saß, sprangen auf. Nur der schnellen Reaktion des Mannes im blauen Arbeitsanzug war es zu verdanken, daß der Mann mit der Sonnenbrille nicht in die Abhänge von Kineenii geschleudert wurde. Er hatte die Gefahr erkannt und den anderen Mann festgehalten. Mwaura stoppte am Straßenrand.
»Warum willst du diesen Mann nach Ngong schicken?« 4 fragte der Mann im blauen Arbeitsanzug. »Haben seine Feinde dich bestochen?« Der Mann mit der Sonnenbrille hatte überhaupt keine Gelegenheit, etwas zu sagen — weder um sich bei Mwaura zu beschweren, noch um dem Mann im blauen Arbeitsanzug zu danken.
»Die Frau ist an allem schuld«, erwiderte Mwaura schnell und drehte sich nach ihr um. »Ich will hier keinen Streit haben. Dieses Fahrzeug läuft nicht mit Pisse!«
»Wenn wir nach Ilmorog kommen, werde ich mir das Geld sofort leihen.«
»In Kenia gibt es nichts umsonst. Wir sind hier nicht in Tanzania oder in China.«
»Älterer Bruder… ich habe noch nie vom Schweiße anderer gelebt. Wenn du nur wüßtest, was ich in dieser Stadt Nairobi gesehen und durchgemacht habe …«
»Ich will hier keine Geschichten über einäugige, menschenfressende Ungeheuer hören«, schnitt ihr Mwaura das Wort ab, »rück mit dem Geld heraus, oder du steigst aus.«
»Du willst mich hier in der Wildnis zurücklassen? Ist das dein Ernst?«
»Du mußt hier aussteigen, Frau, und zu Fuß nach Ilmorog weitergehen. Laß dir noch einmal gesagt sein, daß dieses Auto keine Spucke schluckt.«
»Mit diesen Händen habe ich für die Unabhängigkeit des Landes gekämpft, das ist die Wahrheit. Und nun soll ich die Nacht bei den wilden Tieren im finsteren Wald verbringen?« Die Frau sprach mit schwerem Herzen, und es war, als hätte sie eine Frage gestellt, die ihr nicht neu war. Eine Frage, die sie sich schon oft gestellt, auf die sie aber noch nie eine Antwort erhalten hatte.
»Heutzutage werden nicht mehr jene belohnt, die das Land gerodet haben, sondern jene, die danach gekommen sind«, belehrte sie Mwaura. »Die Unabhängigkeit, das heißt nicht Geschichten über die Vergangenheit, sondern das Klingen der Münze in der
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