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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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welcher Weg ist das?« fragte Muturi.
    »Der Weg in den Tod!« erwiderte Mwaura und lachte ein wenig, als scherze er. »Oder wohin, glaubst du, geht unsere Reise jetzt?« fragte er spöttisch.
    Alle im Matatu waren verstummt.
6
    Wariinga surrte der Kopf, als hätte sich eine Stechmücke darin verfangen. Sie hatte Herzklopfen wie jemand, der einen ganzen Tag lang im Mtego-wa-Panya -Labyrinth im City-Park von Nairobi umherirrt und nach einem Ausweg sucht. Sie hatte dem Streitgespräch zwischen Mwaura und Muturi nicht ganz folgen können, sie wußte nicht, wo und warum es begonnen hatte, und wohin es führte; denn während sie zuhörte, waren ihr plötzlich wieder ihre eigenen Schwierigkeiten bewußt geworden: John Kimwana, Boss Kihara, ihre Entlassung, die Tatsache, daß man sie aus ihrer Wohnung hinausgeworfen hatte, ihr versuchter Selbstmord, der junge Mann, der sie an der Hand genommen hatte, die Einladung zum Fest des Teufels, der Wettbewerb im Rauben undStehlen, und nun dieses Gespräch über die Seele und über Leben und Tod. Wann werde ich endlich nach Hause kommen, damit Leib und Seele Ruhe finden können? Werden meine Schwierigkeiten niemals ein Ende nehmen? Wann hat all dies eigentlich begonnen? Wo? Und mit wem?
    Wariinga dachte an den Reichen Alten Mann aus Ngorika in Nakuru — es war schon so lange her —, und sie spürte, wie neue Bitterkeit in ihr aufstieg …
    Es war Gatuiria, der den Fluß ihrer Gedanken unterbrach:
    »Einen Augenblick, bitte«, sagte Gatuiria mit lauter Stimme.
    Muturi, Wangari, Wariinga und der Mann mit der Sonnenbrille richteten ihre Blicke auf ihn. Mwaura wandte leicht den Kopf nach hinten, dann konzentrierte er sich wieder auf das Steuerrad und die Straße.
    Gatuiria senkte die Stimme: »Please , darf ich eine Frage stellen?« Gatuiria zögerte wie jemand, der etwas Wichtiges sagen möchte, aber nicht weiß, wie er beginnen soll.
    »Fang schon an«, ermutigte ihn Mwaura. »Fragen hat noch keinen ins Gefängnis gebracht!«
    »Ja, schon«, erwiderte Muturi, »aber in unserem heutigen Kenia gilt dies nicht mehr.«
    »Keine Sorge«, fuhrt Mwaura fort, Gatuiria zu ermutigen, »in Mwauras Matatu Matata Matamu Ford T befindest du dich im Herzland der Demokratie!«
    »Oh ja«, unterstützte ihn Wangari, »da hast du die Wahrheit gesagt. Matatus sind heutzutage der einzige Ort, an dem man noch frei diskutieren kann. In einem Matatu kannst du alles sagen, was du denkst, ohne dich erst umzusehen, ob einer lauscht.«
    »In meinem Matatu bist du so sicher wie in einem Gefängnis oder wie im Grab. Es gibt nichts, was du hier nicht sagen kannst.«
    »Eure Auseinandersetzung, sorry , eure Diskussion … Excuse me . . .« Gatuiria machte erneut eine Pause.
    Gatuiria sprach seine Muttersprache so wie viele gebildete Leute in Kenia — sie stottern wie kleine Kinder, die fremde Sprache jedoch sprechen sie fließend! Hier bestand der einzige Unterschied darin, daß sich Gatuiria zumindest bewußt war, daß die Sklaverei der Sprache geistige Sklaverei bedeutete und nichts war, worauf man stolz sein konnte. War er jedoch in eine heiße Diskussion verstrickt, dann meisterte Gatuiria seine Muttersprache ohne zu stocken, ohne zu zögern und ohne ins Englische zurückzufallen.
    »Man sagt, daß Meinungsverschiedenheiten Haß hervorbrächten. Aber oftmals lassen Konflikte die Körner der Wahrheit sprießen.« Wangari sprach Gatuiria Mut zu.
    Gatuiria räusperte sich und nahm einen neuen Anlauf.
    »Ich kann die difference … sorry … I mean … den Unterschied zwischen euren beiden Positionen nicht erkennen … Let me ask … sorry … I mean … ich möchte folgende Frage stellen: Glaubt ihr, daß Gott und der Satan tatsächlich existieren, I mean , daß sie lebendig sind, so wie du und ich?«
    »Wenn es Gott gibt«, fiel Mwaura schnell ein, »dann gibt es auch den Teufel. Aber ich persönlich weiß das nicht so genau.«
    »Aber es geht darum, was man glaubt. Was glaubst du?« fragte Gatuiria beharrlich.
    »Ich? Junger Mann, ich gehöre nicht zu euren Kirchen. Mein Tempel sind die Geschäfte, und Geld ist mein Gott. Aber wenn es den anderen Gott gibt, dann soll es mir recht sein. Manchmal vergieße ich ein wenig Schnaps für ihn, damit er mir nicht das antut, war er einst Hiob antat. Ich schaue mir die Welt nicht zu genau an. Habe ich es eben nicht schon einmal gesagt? Neigt sie sich zur Seite, dann neige ich mich mit ihr. Die Welt ist rund und sie verändert sich. Deshalb hat Gikuyu gesagt: Die Sonne

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