Der gekreuzigte Teufel
geht nicht so auf, wie sie untergeht. Der Vorsichtige ist noch lange kein Feigling. Ich stelle nicht zu viele Fragen. Sage mir, wo Geld zu finden ist, und ich werde dich dorthin bringen!«
»Wie steht es mit dir?« Gatuiria richtete seine Frage an Muturi, nachdem Mwaura mit dem, was er zu sagen hatte, fertig war.
»Mit mir? Ich glaube daran!«
»An was?«
»Daß Gott existiert!«
»Als Person?«
»Ja!«
»Und der Satan?«
»Ja, auch er existiert.«
»Als Person?«
»Ja, als Person.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Ja, das glaube ich wirklich.«
»Aber du hast noch keinen von beiden mit eigenen Augen gesehen?« fragte Mwaura.
»Die Frage dieses jungen Mannes betraf den Glauben«, erwiderte Muturi. »Ich glaube, daß Gott und der Satan Vorstellungen sind, die unsere Taten begleiten, wann immer wir auf der Suche nach Nahrung, Kleidung und Unterkunft, die uns vor Hitze und Kälte und dem Wind schützen, in der Auseinandersetzung mit der Natur im allgemeinen und mit unserer menschlichen Natur im besonderen stehen. Das Wesen Gottes zeigt sich in den guten Taten, die wir hier auf Erden vollbringen. Das Wesen des Satans zeigt sich in den bösen Taten, die wir hier auf Erden vollbringen. Die Frage ist nur die: Was sind schlechte Taten, was sind gute Taten? Junger Mann, du läßt mich wiederholen, was ich bereits gesagt habe, womit ich fertig war. Dieser Mann lebt vom eigenen Schweiß, jener vom Schweiß der anderen — da hast du das Rätsel, nimm ein Pfand von uns und löse das Rätsel, denn es scheint so, als hättest du viele Bücher gelesen.«
»Im Schweiße deines Angesichts«, Wangari sprach, als läse sie aus einer Bibel vor, »im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest.« Wangari klappte die Bibel, die sie in Gedanken vor sich hatte, zu und sagte zu Gatuiria: »Auch das ist ein Rätsel, das du für uns lösen mußt. Nimm auch von mir ein Pfand entgegen.«
»Ich will nicht zu viele Pfänder nehmen, denn du gehörst ja zur Familie«, erwiderte Gatuiria lachend.
»Oh, du sprichst also doch sehr gut Gikuyu, und ich dachte, du könntest nur diese Good morning, Good morning- Sprache!« sagte Wangari fröhlich.
Nach diesen Worten war es Gatuiria leichter ums Herz.
»Vor langer Zeit«, erwiderte er, »hörte ich stets den Rätselwettbewerben zu. Heute könnte ich nicht einmal mehr das einfachste Rätsel lösen. Stünden wir uns in einem Wettkampf gegenüber, so würdest du mir ein Pfand nach dem andern abverlangen, bis mein ganzer Besitz dein wäre … Aber gehen wir doch der Sache auf den Grund. Ich muß gestehen, euer Gespräch hat Zweifel und Konflikte in mir aufgeworfen, die ich seit langem auf dem Herzen habe. I mean … ich schlage mich mit einem Problem herum, und ich wäre froh, ihr könntet mir bei der Lösung dieses Problems etwas behilflich sein.«
Wieder machte Gatuiria eine Pause.
Es schien Wariinga, als habe sich Gatuirias Stimme verändert. Eine plötzliche ahnungsvolle Unruhe befiel sie — ihr war, als hätte sie die Stimme schon einmal an einem anderen Ort gehört, aber sie konnte weder sagen wann noch wo. Deshalb beschloß sie, daß ihre Beunruhigung auf den brennenden Wunsch zurückzuführen sei, von den Schwierigkeiten Gatuirias zu erfahren.
Auch die anderen Fahrgäste warteten gespannt darauf, was Gatuiria zu sagen hätte, als fürchteten sie, seine Schwierigkeiten könnten ein Abbild der ihren sein.
Gatuiria räusperte sich. Dann wandte er sich an Muturi: »Du hast so geredet, als wüßtest du, daß ich von der Universität komme. Das ist in der Tat so. Ich bin eine Art Forschungsstudent in Sachen Kultur — Junior Research Fellow in African Culture. Our culture, sorry, I mean . . . Unsere Kultur ist von den westlichen imperialistischen Kulturen beherrscht worden. In England nennen wir das Cultural Imperialism. Kultureller Imperialismus ist die Mutter der Sklaverei, die sich Geist und Körper Untertan macht. Der kulturelle Imperialismus gebiert die Blindheit und Taubheit des Geistes, die es möglich machen, daß ein Volk die Führung seines eigenen Landes Ausländern überläßt, daß es Ausländern gestattet, Augen, Ohr und Mund seiner ureigensten Angelegenheiten zu werden, daß ein Volk vergißt, daß es im Sprichwort heißt: Nur wer in der Wildnis wohnt, weiß, wie es dort ist. Deshalb kann sich ein Volk niemals einen Ausländer zum wahren Anführer erwählen. Von unserer Generation sang der Sänger:
Der taube Mann, der taube
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