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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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noch wird es vom Satan organisiert. Es wird vom Verband der Diebe und Räuber in Ilmorog veranstaltet, aus Anlaß eines Besuches ausländischer Gäste aus Amerika, England, Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden und Japan, die demVerband der Diebe und Räuber der westlichen Welt angehören. Der Name dieses Verbands lautet International Thieves and Robbers Ltd. Zweitens. Unsere Studenten an den Universitäten tragen heutzutage die Nase sehr hoch. Sie glauben, Raub und Diebstahl in Mißkredit bringen zu können, noch ehe sie überhaupt wissen, was Zeitgenössischer Raub und Diebstahl bedeutet. Genau diese Studenten sind es, die ähnlich reden wie Wangari und Muturi, nämlich, daß dem Rauben und Stehlen ein Ende gesetzt werden müsse.
    Aus diesem Grunde will ich folgendes sagen: Ich bin der festen Überzeugung, daß niemals alle Menschen gleich sein können — so wie Zähne im Mund. Die Natur des Menschen macht dies unmöglich. Ja, sogar die allumfassende Natur selbst hat diesen unsinnigen Unsinn von der Gleichheit aller Menschen verworfen. Man braucht nur einen Blick in den Himmel zu tun. Gott sitzt auf dem Thron. Zu seiner Rechten steht sein einziger Sohn. Zu seiner Linken steht der Heilige Geist. Zu seinen Füßen sitzen die Engel. Zu Füßen der Engel sitzen die Heiligen. Zu Füßen der Heiligen sitzen alle Jünger, und so geht es immer weiter, eine Klasse unter der anderen, bis hin zur Klasse der Gläubigen hier auf Erden. Selbst die Hölle ist ganz ähnlich strukturiert. Der König der Hölle ist keineswegs derjenige, welcher das Feuer schürt, Feuerholz holt und die in den Flammen schmorenden Leiber dreht. Nein. Solche Geschäfte überläßt er seinen Engeln, Aufsehern, Anhängern und Dienern …«
    »Meine Güte«, unterbrach ihn Muturi, »sind Sie schon mal im Himmel gewesen?«
    »Nein.«
    »Und in der Hölle?«
    »Nein.«
    »Und die Bilder, die Sie uns eben geschildert haben, wo haben Sie die her? Ist ein Bild nicht wie der Schatten eines Baumes? Wo aber ist der Baum?«
    »Wenn man sich diese Welt anschaut, so wird man schnell erkennen, daß ich hier nichts als die volle Wahrheit sage«, erwiderte Mwireri wa Mukiraai schnell. »Einige Menschen sind groß, andere sind klein. Einige sind weiß, andere sind schwarz. Einige Leute haben eine glückliche Hand, wenn es um Besitz geht, andere haben überhaupt kein Glück — selbst mit zehn Cents fangen sie nichts an. Manche werden faul geboren, andere fleißig.
    Es gibt jene, die zum VIP, zum Führen geboren wurden, die von Natur aus mit Reichtum umzugehen wissen, und es gibt jene, die von vornherein zum Abschaum gehören — sie zerstören von Natur aus jeden Reichtum. Einige Leute wissen eben, was Zivilisation ist, andere haben absolut keine Ahnung davon. Einige verstehen es, sich zu organisieren, während andere nie auf sich selbst aufpassen können. Viele Menschen, und zwar die Mehrheit, können nur an einem Strick, den man ihnen um den Hals bindet, oder an einem Ring in der Nase in die moderne Zivilisation hineingezerrt werden, während andere, wenige, dazu geboren sind, den Strick in der Hand zu halten und zu ziehen. In jedem Land gibt es zwei Kategorien von Menschen: die Verwalter, und jene, die verwaltet werden; diejenigen, die sich der Dinge bemächtigen, und jene, die auf das Übriggebliebene warten; den Geber, und den, dem gegeben wird.«
    »Mein Herr«, unterbrach ihn Wangari, »ist Ihnen nicht bekannt, daß es nichts gibt, das ewig währt? Haben Sie noch nie gehört, was Gikuyu vor langer Zeit einmal sagte, nämlich, daß einer, der zu seiner Zeit tanzte, heute nur noch zuschauen kann, wie andere tanzen; und daß einer, der zu seiner Zeit im Sprung den Fluß überquerte, ihn heute nur noch durchwaten kann? Ein Hirte bleibt nicht immer am selben Ort. Geht neue Wege, denn die Samenkörner in der Kalebasse sind nicht alle von derselben Art!«
    »Ich spreche von Dingen, die ich gründlich studiert habe«, wies Mwireri Wangari zurecht. »Befassen wir uns doch wieder mit Problemen der Wirtschaft und des Geschäftslebens. Es stellt sich folgende Frage: Ist Raub und Diebstahl jederzeit, an allen Orten und für alle Menschen etwas Schlechtes?
    Sie können mir glauben, wenn ich sage, daß Raub und Diebstahl der Maßstab für den Fortschritt eines Landes sind. Denn damit es Raub und Diebstahl überhaupt geben kann, müssen Dinge vorhanden sein, die man stehlen und wegnehmen kann. Wenn man also will, daß die Bestohlenen Dinge haben, die man ihnen wegnehmen

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