Der Gelbe Nebel
an Wänden oder krallten sich an
Felsvorsprünge. Sie piepsten und stritten um jedes freie Plätzchen, doch als
sie die Königin und ihr Gefolge erblickten, verstummten sie wie auf Befehl.
Auf der Hand Tims wie auf einer Tribüne stehend, hielt Ramina eine
Ansprache, in der sie kurz über die Ankunft der Rettungsexpedition von
jenseits der Berge berichtete. Sie schloß mit den Worten:
„Wir müssen den Menschen helfen, der grausamen Arachna das Handwerk
zu legen, nur dann werden Licht und Wärme zu uns wiederkehren. Wir
müssen alles tun, damit die Hexe den Zauberteppich verliert, sonst wird sie
der Vergeltung entgehen, und wir müßten dann bis ans Ende unserer Tage
im Gelben Nebel leben.“ „Eure Majestät, mir ist was eingefallen“, wandte
sich Tim an Ramina. „Wenn wir so viele Mäuse auf den Teppich nehmen,
wie er tragen kann, und mit ihnen zum Schlupfwinkel Arachnas fliegen,
werden sie den großen Teppich der Hexe schnell unbrauchbar machen.“
„Ihr irrt, Freund Tim“, entgegnete die Königin. „Mit der Zernagung des
Teppichs ist es nicht getan, denn die Zwerge werden die Zauberwolle rasch
wieder einsammeln, sie zwirnen und einen neuen Teppich daraus weben.
Damit das nicht geschieht, muß er ganz aufgegessen werden, das aber ist
nur dann möglich, wenn alle meine Untertanen im Einsatz sind.“
Tim kratzte sich am Nacken, als er diese Erklärung hörte. „Wenn dem so
ist“, sagte er, „brechen wir sofort auf.“ Aber fürchtet Ihr nicht, daß Eure
Mäuse umkommen, wenn sie so viel giftigen Nebel atmen werden?“
„Das kann passieren, wenn sie eine Woche oder anderthalb durch den
Nebel marschieren, wir aber werden die Besitzungen Arachnas viel früher
erreichen.“ Ramina hatte eben immer eine Antwort bereit.
Tims Befürchtungen, auf dem Marsch werde keine Ordnung herrschen,
erwiesen sich als unbegründet. Die Mäusearmee war sehr gut organisiert.
Sie bestand aus Divisionen, die sich in Regimenter unterteilten, diese
wieder in Bataillone, welche sich in Kompanien gliederten, die aus Zügen
bestanden. Jede Abteilung wurde von einer erfahrenen und verdienten
Maus im Range eines Leutnants, Hauptmanns oder Obersten geführt, deren
Befehle man genau befolgte. Der Armeestab bestimmte die Marschordnung
der Divisionen und Regimenter, und Verbindungsmänner gaben die
Weisungen an alle Unterabteilungen weiter. Tim, in dessen Hemdausschnitt
und Taschen die Königin und der Armeestab saßen, ging an der Spitze, ihm
folgten die Adjutanten und Verbindungsmänner. Der Junge zweifelte, ob er
im Nebel den Weg finden würde, doch Ramina beruhigte ihn:
„Eine Fee kann sich in den Feldern und Wäldern ihrer Heimat nicht
verirren. Wenn Ihr vom richtigen Weg abkommt, werde ich es sofort
merken und Euch sagen.“
Bis zum Abend bewegte sich die Armee in strenger Ordnung, Kompanie
auf Kompanie, Regiment auf Regiment. Tim war zum Umfallen müde, als
Ramina an einem Weizenfeld das Haltezeichen gab. Die Mäuse verstreuten
sich über das Feld und begannen mit ihren scharfen Zähnen die welken und
runzligen Körner zu zermalmen. Tim verschlang sein Abendbrot und
schlief, in den Zauberteppich eingerollt, sofort ein. Am Morgen, als die
feuerrote Sonne aus dem Nebel lugte, brach man auf. Der zweite Marschtag
war schwerer als der erste. Oft versperrten breite Wildbäche den Weg.
Dann fällte Tim mit seiner Axt ein paar Bäume, die er so umlegte, daß sie
die Ufer verbanden. Auf diese Weise überwanden die Mäuse schnell das
Hindernis und ordneten sich auf dem anderen Ufer wieder in Kolonnen. In
Raminas Armee herrschte eben strenge Disziplin. Am dritten Tag brach, als
alles noch schlief, ein Schneegestöber aus. Eisiger Wind fegte über das Tal
und trieb weiße Flockenwirbel hoch. Ein Schneegestöber im Zauberland!
Noch vor einem Monat hätte das niemand im Reich des ewigen Sommers
für möglich gehalten! Wer hätte sich auch einen so heulenden Wind
vorstellen können, der die Sträucher zur Erde bog, Zweige von den,
Bäumen riß und Legionen von Mäusen schüttelte? Von einem Verbleiben
am Übernachtungsort konnte keine Rede sein, wenn man nicht erfrieren
wollte, und Ramina gab den Befehl zum Aufbruch. Die Verbindungsmänner wateten mit erhobenen Schwänzchen durch den Schnee, um den
Befehl an die Abteilungen weiterzugeben. Züge und Kompanien sammelten
sich, gegen den Wind ankämpfend, zu Marschkolonnen. Tim O’Kelli schritt
an der Spitze dieser wunderbaren grauen Armee. Er
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