Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
eine Zwischenlandung auf der Balustrade und flog dann schnell und graziös davon.
    »Soll ich Zeitungen oder so was an die Fenster kleben?«, fragte ich Eric. »Sonst bricht sich gleich noch eine das Genick.«
    »Lass mal, ich mach das schon.«
     
    Ich ging nach draußen und lief zu dem kleinen See hinunter. Die Bäume standen in voller Blüte, und vereinzelt lugten zarte rote Klatschmohnblüten aus dem Gras.
    Bleu lief neben mir. Dicke Büschel Unterwolle hingen ihm wie kleine Filzstücke lose im grauen Fell. Ein paar pflückte ich heraus, aber insgesamt wäre es eine Sisyphusarbeit gewesen. Ich hörte ihn laut keuchen. Er war ein Mischling, es steckte etwas von einem Husky in ihm. Für Wanderungen in der heißen Sonne war er eindeutig nicht geeignet. Der Winter hatte ihm mehr zugesagt
    Auf halbem Weg drehte ich mich um und blickte zu unserem Haus zurück. Es war prächtig geworden. Der hässliche graue Putz war verschwunden. Die gelblich roten Steine waren wieder sichtbar. Die Zwischenräume waren ebenmäßig mit gelbem Zement ausgefugt. Die Fenster zierten Blumenkübel mit Geranien, die in so praller Blüte standen, dass die in der Sonne leuchtende Farbenpracht fast schon schmerzhaft ins Auge stach.
    Das Haus war fertig.
    Lediglich rundherum gab es noch ein paar Dinge zu tun. Der Boden musste planiert werden, und wir mussten Gräben für die Strom- und Wasserleitungen anlegen, damit wir die Außenbeleuchtung, die Springbrunnen und die Hähne außerhalb des Hauses anschließen konnten.
    In den letzten acht Monaten waren hier Berge versetzt worden.
    Und sonderbarerweise fühlte ich mich immer heimischer. Unser Dezember-Besuch in den Niederlanden war das nicht gewesen, was ich mir erwartet oder erhofft hatte. Ich war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass ich beim Anblick der Windmühlen, der flachen Weiden und scheckigen Kühe, der kleinen Wassergräben und Flüsse, der Häuser unseres Dorfes in Tränen ausbrechen müsste.
     
    Aber es war kalt gewesen, kalt und unwirtlich. Die Scheibenwischer unseres Volvos waren ununterbrochen in Bewegung, um die Windschutzscheibe frei zu halten. Überall Ampeln, Einbahnstraßen, schier endlose Staus, Tausende von Lichtern und Reklametafeln, ständig Autolärm und Gedränge. Vorortstraßen, an denen man hätte ersticken können, so gleich sahen sie alle aus. Unser Besuch bei einem ehemaligen Kollegen von Eric in Amsterdam wurde sofort mit einer Parkkralle bestraft, sodass wir uns mit zwei nörgelnden Kindern an der Hand eine volle Stunde im strömenden Regen unseren Weg zwischen Menschenmassen, hupenden Autos und Zickzack fahrenden Mofas hindurch bahnen mussten, bis wir das Büro der städtischen Parkverwaltung gefunden hatten, wo Eric einem desinteressierten und offenbar von Geburt an unfreundlichen Beamten ein paar Hundert Euro Tribut zahlen musste. Erica, auf die ich mich schon enorm gefreut hatte, hockte krank zu Hause, sie sah blass und zermürbt aus. Sie wolle uns in Frankreich besuchen kommen, sagte sie, im Frühjahr. Früher könne sie sich nicht frei nehmen. Im Büro stapele sich die Arbeit. Einfach eine Woche zu verschwinden, könne sie sich nicht erlauben. Erst kürzlich seien wegen der schlechten Umsätze der Firma ein paar Kollegen entlassen worden.
    Zu Hause bei Erics Eltern konnte ich nicht gut schlafen. Bei jedem Geräusch saß ich gleich senkrecht im Bett. Etwa wenn die Nachbarn die Klospülung betätigten oder wenn ein paar Straßen weiter jemand hupte. Wenn ein Martinshorn erst näher zu kommen schien, dann aber verklang. Ein lautes Rumsen beunruhigte mich sogar derart, dass ich aufstand und ans Fenster trat. In der Dunkelheit machte ich eine Gestalt aus, die gerade eine Mülltonne an die Straße gestellt hatte.
    Der ganze Lärm, die vielen Menschen, Häuser, Autos, der Mangel an Tageslicht in der dunklen Vorweihnachtszeit, die stundenlange Parkplatzsuche - das alles ging mir an die Nieren.
    Erics Eltern hatten sich alle Mühe gegeben, es uns möglichst schön zu machen. Im Wohnzimmer stand ein Weihnachtsbaum, der mit weißen und silbernen Kugeln sowie mit Schokolade für die Kinder geschmückt war. Der Truthahn war etwas zu trocken, und der Salat badete in einer fetten Soße. Er war viel zu klein geschnitten, sodass die Blätter an den Rändern schon ganz welk aussahen.
    Ich vermisste das Olivenöl. Den Essig. Das Basilikum. Louis, die beiden Antoines. Die Stille und die Weite, die kleinen kurvigen Straßen, auf denen nie jemand unterwegs war. Die

Weitere Kostenlose Bücher