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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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Unternehmung, an den chambres d’hôtes und an meinem Entschluss, Eric hierher zu folgen. Sogar an der vor dreizehn Jahren getroffenen Entscheidung, ihn zu heiraten. Immer tiefer grub ich in meinen Erinnerungen. All unsere schönen Augenblicke erschienen mir nichtig im Vergleich zu dem, was ich mit Michel erlebt hatte. War wirklich Liebe der Grund für meine Heirat mit Eric gewesen? Oder hatte ich ihm mein Jawort nur gegeben, weil mir von klein auf eingetrichtert worden war, dass ich mir einen Ehemann suchen musste, der finanziell abgesichert war - sodass Erics Antrag damals das Ende meiner Mission markiert hatte?
    Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals so zerrissen gefühlt zu haben wie heute, in dieser salle de fête im tiefen Süden Frankreichs. Mein Leben war zum reinsten Chaos geworden.
    »Kennst du all die Leute hier?«, fragte Eric.
    »Die meisten schon, vom Sehen. Es sind fast alles Eltern.«
    »Verrückt eigentlich«, sagte er, während er aufmerksam um sich blickte, »ich kenne hier wirklich niemanden, keinen Menschen. Und für dich sind es lauter bekannte Gesichter … Ich glaube, wir haben in letzter Zeit ein bisschen nebeneinanderher gelebt.«
    »Das … das war natürlich zu erwarten.«
    In den Niederlanden war es allerdings auch nicht anders gewesen. Dort war es die Firma, hier das Haus.
    »Nächstes Jahr wird sich das ändern. Jetzt ist alles noch ziemlich hektisch, aber ich hab in den letzten Tagen darüber nachgedacht. Wenn das Haus fertig ist, kann ich ja zum Beispiel die Kinder morgens zur Schule bringen, und du holst sie abends ab.«
    »Könnten wir machen.«
    Ich nahm einen kräftigen Schluck Wein, der mir nicht schmeckte. Während ich mich unsicher umschaute, wanderten meine Gedanken zum letzten Montag zurück.
    Die Aussicht, Peter wieder unter die Augen zu treten, hatte mich schon im Vorhinein extrem nervös gemacht. Ab und zu hatte er mir mehrdeutige Blicke zugeworfen, doch dabei war es geblieben. Das hatte mich, den Umständen entsprechend, beruhigt. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass es für ihn wahrscheinlich auch nicht die beste Werbung wäre, wenn die Sache herauskäme. Schließlich arbeitete Michel für seine Firma, und Peter konnte kein Interesse an einer Krise zwischen Eric und mir haben, die womöglich die Arbeit zum Erliegen brachte. Menschenkenntnis war nicht meine größte Stärke, aber ich hatte das Gefühl, dass ich Peter inzwischen ein bisschen kannte. So freundlich und nett er auch sein konnte - wenn es um Geld ging, war er ausgesprochen diszipliniert. Jedes Mal, wenn die Jungs nach Hause gegangen waren und seine Rechnung auf den Tisch kam, fiel mir wieder die distanzierte, geschäftsmäßige Haltung auf, mit der er das Bündel Geldscheine, das Eric ihm übergab, in seinem Portemonnaie verschwinden ließ. Wahrscheinlich hatte Peter sich überlegt, dass der kontinuierliche Geldstrom aus Erics Portemonnaie wichtiger war als die Freundschaft, die sich zwischen den beiden entwickelt hatte. Oder vielleicht hoffte ich das auch nur. Zumindest hatte ich mir vorgenommen, später, wenn das Haus erst fertig wäre, dieser Freundschaft so viel Abbruch zu tun, wie es in meiner Macht stand. Mit ganzer Kraft würde ich daran arbeiten.
    Peter wusste zu viel. Auf lange Sicht wollte ich, dass er aus unserem Leben verschwand. Aber vorläufig konnte ich lediglich hoffen, dass der vergangene Sonntag keine Folgen nach sich ziehen würde.
    Ich schrak aus meinen Gedanken auf, als ich einen Mann auf uns zukommen sah. Etwa sechzig Jahre alt, mit weißem, gelichtetem Haar. Der Bürgermeister unseres Dorfs.
    Er nickte uns wohlwollend zu, gab uns die Hand und tauschte die üblichen Höflichkeiten mit uns aus. »Das haben Ihre Kinder gut gemacht auf der Bühne, wirklich.«
    Ich lächelte höflich. »Vielen Dank.«
    »Macht das Haus schon Fortschritte?«, fragte er Eric.
    »Oh ja, es läuft prima. Noch ein halbes Jahr, denke ich, dann haben wir das Gröbste hinter uns.«
    »Ihr Haus hat früher sehr einflussreichen Leuten gehört, wussten Sie das?«
    Wie zwei kleine Kinder schüttelten wir gleichzeitig den Kopf.
    »Der Familie Sago«, fuhr er fort. »Weinbauern. Vor vierzig Jahren sind die letzten beiden Söhne in die Stadt gezogen. Für eine Weile sind sie noch zurückgekommen, um hier Ferien zu machen, aber am Ende stand es permanent leer.«
    Ich dachte an die Hänge rund um unser Haus. Weinreben hatte ich nirgends gesehen, nicht den kleinsten Spross.
    »Wo sind denn die Weingärten geblieben?«,

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