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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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rasen.
    »Welche Nachricht?«
    »Sie weiß es noch nicht! Sie weiß es wirklich noch nicht!«
    Sie hatten mich gefeuert. Die Marktanteile wurden nicht erreicht. Die Altersgruppe der Acht- bis Vierzehnjährigen hatte mich endgültig abgelehnt. Das musste es sein. Zu meinem Erstaunen fühlte ich eine unsägliche Erleichterung. Der Adler wollte nicht länger eine Ameise sein. Er würde lautlos wegfliegen.
    Na gut, dann war es eben gelaufen. Ich erinnerte mich an damals, nach der ersten Sendung, als ich vor laufender Kamera erfuhr, dass mich die Kritiken zerrissen hatten.
    »Frau Stein, was sagen Sie dazu, dass Sie durchgefallen sind?«
    »Frau Stein, die Einschaltquote lag deutlich unter der Ihres Vorgängers! Was empfinden Sie, wenn Sie das hören?«
    »Frau Stein, die ›Bild-Zeitung‹ schreibt, Sie seien eine Katastrophe! Trifft Sie das?«
    »Nervensäge, Trampel, Trulla der Nation!«
    »Frau Stein, was fühlen Sie, wenn Sie das hören? Sagen Sie es uns, Sie sind live auf Sendung! Schauen Sie bitte in diese Kamera!«
    »Frau Stein, was sagen Sie dazu, dass die Leute den jungen Moderator mit Akzent zurückhaben wollen?«
    So, genau so war es gewesen. Hier, im Foyer des Bayrischen Hofs. Und ich hatte da gestanden und nach links und rechts gelächelt und herumgelogen, och nein, das trifft mich nicht wirklich, das muss sich erst einspielen, jeder Moderator muss erst mal Land gewinnen, und die Ameise hatte sich in ihrem Laufrad abgestrampelt und auf der Stelle getreten, und im Hintergrund hatte Emil mit Paulinchen gestanden und fassungslos auf die Meute geblickt.
    Automatisch suchte ich jetzt mit den Augen nach den Fahrstühlen. Stand er da? Mein alter, vertrauter Emil mit meinem jungen, vertrauten Paulinchen? Der Rest war mir egal. Wir würden uns in den Aufzug drängeln und uns einfach nur fest in den Arm nehmen, alle drei.
    »Frau Stein, was sagen Sie dazu?«
    Man drängelte, knuffte, puffte. Mikros wurden mir unter die Nase gehalten, Blitze zuckten. Die Scheinwerfer der Kameras waren unerträglich hell.
    »Was sage ich wozu, verdammt noch mal?«
    Irgendjemand hielt mir eine »Bild-Zeitung« entgegen. Das war ja ich auf dem Titel! Das Dackelhalstuch, dachte ich noch. Wie beschissen das aussieht. Also doch mein Rausschmiss.
    Dann sprangen mich die riesigen Lettern an. Schwarz und groß und bedrohlich. Noch viel fetter als damals bei meinem ersten Verriss. Und diesmal auf der Titelseite.
    Ich versuchte, trotz des Gedrängels und der blendenden Scheinwerfer, die nach wie vor auf mich gerichtet waren, irgendetwas zu entziffern.
    Nein, das gab ja keinen Sinn. Das gehörte ja nicht zu »Wört-Flört«. Das war bestimmt die Überschrift zu einer anderen Story.
    »SÜDAFRIKANER ENTFÜHRTE IHR BABY UND FORDERT ZEHN MILLIONEN MARK LÖSEGELD!«
    »Ja, Leute, das ist die falsche Headline! Blättert doch mal um! Was hat denn mein Bild mit dieser Überschrift zu tun?«
    »Gebt ihr das Ding doch mal in die Hand!«
    »Sie kann es doch so nicht lesen!«
    »Aber so, dass ihr Gesicht nicht verdeckt wird!«
    »Frau Stein, drehen Sie sich bitte mal halb schräg zur Kamera?«
    Ich lächelte unsicher. »Leute, hier liegt eine Verwechslung vor, ich bin’s doch nur, eure alte Karla Stein, ich moderiere ›Wört-Flört‹, eine harmlose Sendung, und das hat doch mit Kindesentführung nichts zu tun …«
    »Habt ihr’s?«, schrie einer.
    »Volle Beleuchtung jetzt!«
    »Ton ab!«
    »Achtung! Beitrag läuft!«
    Und dann sagte jemand klar und deutlich zu mir: »Frau Stein, Ihre Tochter wurde entführt.«
    »Was? Welche Tochter?«
    »Das Baby. Pauline.«
    Nein, NEIN! NICHT MEIN PAULINCHEN!
    »Von wem?«, schrie ich in heller Panik.
    »Von einem Neger! Er fordert zehn Millionen Mark Lösegeld!«
    »Das kann nicht sein!«, brüllte ich mit überkieksender Stimme. »Mein Paulinchen ist bei Emil!«
    Ich weiß nicht mehr genau, was ich sagte. Ob ich in die richtige Kamera schaute. Ob man mir mit der Zeitung das Gesicht verdeckte. Zu dritt richteten sie mich auf. Jemand reichte mir ein Glas Wasser. Die Kameras liefen heiß. Die Scheinwerfer blendeten.
    Ich weiß nur noch, dass ich immer wieder den Kopf schüttelte. Und lachte.
    »Emil ist mein Kindermännchen! Das ist ein schlechter Scherz«, stammelte ich. »Bitte sagt doch, dass das nur ein Scherz ist!«
    »Wo waren Sie so lange, Frau Stein?«
    »Warum hatten Sie Ihr Baby nicht bei sich?«
    »Warum fuhren Sie allein ins Ausland?«
    »Seit wann war dieses kriminelle Subjekt bei Ihnen

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