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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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die Schulter dem armen Emil zu, damit er mitkriegte, was hier verhandelt wurde. Mir war schon wieder zum Heulen.
    Emil nickte scheu.
    »Das ist das postnatale Problemzonensyndrom«, belehrte ich den Kopftuchfreak. »Komm du erst mal in mein Alter! Ich will aber sowieso nicht springen. Hier. Der hier will springen.«
    Ich zog Emil aus dem Hintergrund hervor.
    »Ah so, nee, geht klar. Dann musst du das hier ausfüllen«, sagte das Kopftuch zu Emil und hielt ihm einen rosa DIN-A4-Bogen mit dreifachem Durchschlag hin.
    »Der kann nicht lesen«, sagte ich und überflog den Bogen. Katinka wurde mir gar zu schwer. Ich versuchte sie abzusetzen, aber sie fing an zu heulen, also nahm ich sie wieder auf.
    In dem Bogen stand, dass der Unterzeichnende auf eigene Gefahr springe und sich der Tat voll bewusst sei und dass der Kranbesitzer und Netzbetreiber mitnichten für Querschnittslähmungen, Nasenbeinbrüche oder abgebissene Zungen aufzukommen bereit sei. Ganz schön gerissen, diese Burschen.
    »Das unterschreib ich nicht«, sagte ich entschieden.
    »Du sollst das ja auch nicht unterschreiben, sondern der!«
    Der weißblonde Muskelprotz mit der durchschimmernden Kopfhaut unter den fettigen Zipfeln reichte Emil einen Kugelschreiber. »Oder kann er auch nicht seinen Namen schreiben?«
    Emil nahm den Schreiber schüchtern und setzte mit links seine Unterschrift unter den Bogen.
    »So was kann alles passieren?«, fragte ich die Burschen irritiert, während ich noch versuchte, das Blatt an mich zu reißen.
    »Quatsch. Das ist völlig sicher. Dieser Bogen ist ’ne reine Formsache.« Der Freak nahm den Bogen und heftete ihn in einer speckigen Mappe ab. »Jeder normale, gesunde Mensch zwischen achtzehn und achtzig kann da runterspringen. Ist noch nie was passiert. Ehrlich, du, ey. Kannste glauben. Also, für euch und weil ihr ’ne Großfamilie seid: Hundert glatte Mark! So billig kriegste das nie mehr!«
    Karl konnte nun nicht mehr an sich halten.
    »Mamaaa! Lass uns hier abhauen! Du machst wieder voll den Scheiß!«
    »Nein! Der Emil soll springen! Lo-hos!« Oskar war in seinem Element. »Wenn der nicht springt, dann springe ich!«
    »Wie alt bist du denn?«, fragte das Kopftuch amüsiert.
    »Sieben!«
    »Dann musst du leider noch ein paar Jahre warten. Aber dein großer Bruder, der springt!«
    »Ich denk gar nicht dran«, schnauzte Karl mich an.
    »Er meint nicht dich, sondern Emil«, sagte ich geknickt. Klar. Er hielt Emil für meinen ältesten Sohn. Schrecklich. Gramgebeugt erklärte ich dem Freak, dass es sich bei Emil um meinen Au-pair-Jungen handele. Und dass er zwar versichert sei, ich aber nicht wisse, ob Bungee-Sprünge im Versicherungspaket enthalten seien. Und dass es nur so eine spontane Idee von mir gewesen sei, den jungen Mann springen zu lassen, damit es ihm besser gehe, er habe nämlich Heimweh nach seiner Mama und brauche einen ultimativen Kick. Aber es sei wohl besser, dass er nicht springe, man könne ja auch einfach zuschauen, das würde ihn sicher auf andere Gedanken bringen.
    Das Kopftuch erklärte, dass er Au-pair-Jungen geil finde. Und dass ich mir keine Sorgen machen solle. Dies hier sei nämlich kein Bungee-Sprung, sondern man würde in ein Netz fallen. Ohne Seil sei das Ganze nämlich noch viel geiler. Und es sei eine voll nette Idee von mir, dem Au-pair-Jungen einen freien Fall zu spendieren.
    Karl zerrte an meinem Arm und wollte sofort nach Hause.
    Oskar hüpfte auf und ab und wollte, dass Emil spränge.
    Während wir noch hin und her debattierten, nahm ich plötzlich aus den Augenwinkeln wahr, dass man Emil bereits am Kran hinauf zog. Er hatte einen Helm auf und einen Schutzanzug an.
    »Da hängt er schon!«, schrie Oskar begeistert.
    »Gleich ist er tot!«, schimpfte Karl. »Ich guck jedenfalls nicht hin, wenn sie ihn aus dem Netz nehmen!«
    Katinka fing an zu weinen. »Der soll nicht tot gehen!«
    »Nein, nein, Kälbchen, der kommt gleich wieder runter, wirst schon sehen, der ist eher wieder unten, als du glaubst! Und dann lacht er!«
    »Der lacht nicht mehr, wenn der tot ist«, schmollte Karl und angelte nach seinen Lakritzschnecken.
    Katinka schluchzte zum Gotterbarmen.
    »Macht mal Platz hier, da wollen noch andere ran«, rief ein Schwarzglänzender mit rosa Kopfhaut unter den Haarzipfeln und scheuchte uns weg.
    Mir schoss die Milch ein. Au verdammt. Warum musste ich auch immer so kindische Dinge tun! Senta hätte schrecklich mit mir geschimpft, wenn sie das gewusst hätte.
    Wir legten den Kopf in

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