Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Die kennen Sie in Südafrika bestimmt nicht. Meine Frau kann sie ganz göttlich zubereiten!«
»Nein wirklich«, stammelte Emil. »Ich habe keinen Hunger.« Er errötete bis über die Stirn.
Der Bundespräsident reichte mir mein Kind, stand energisch auf, nahm Emil an die Hand und führte ihn zum Büfett. Dort standen schon mehrere Köche hinter silbernen Karaffen und Kelchen bereit, um sofort die Deckel von den Bottichen zu lüften, wenn sich ein Interessent näherte. Betörender Duft schlug uns entgegen.
»Jetzt tut dem Jungen mal ’ne ordentliche Portion auf den Teller«, sagte der Bundespräsident. »Und von den Bubespätzle noch, den handgeschabten, und von dem jungen Gemüse hier, und dann gebt ihm mal das Krosse vom Braten und reichlich Sauce, ja, nun knausert mal nicht so rum. Die feinen Portionen könnt ihr den Anderen geben. So. Und einen großen Eisbecher macht ihr unserem Gast aus Südafrika, ja? Was habt ihr zu trinken?«
»Danke, ich habe keinen Durst«, stammelte Emil.
»Doch, der Junge hat Durst«, sagte der Bundespräsident. »Der schleppt den ganzen Tag ein Baby durch die Gegend. Das ist anstrengend.«
Er belud den armen Emil mit Teller und Glas, und dann kümmerte er sich eigenhändig um mich.
»Dann gebt ihr der jungen Mutter noch ein Glas Gänsewein«, sagte der Bundespräsident zu den eifrig dienernden Kellnern. »Viel Wasser, wenig Wein. Die stillt noch. So. Guten Appetit.«
»Guten Appetit, Herr Bundespräsident«, sagte ich heiter.
»Und jetzt geben Sie die Pauline wieder her, sonst können Sie gar nicht in Ruhe essen.« Schon lag Paulinchen wieder an der Bundespräsidentenbrust und pupste gar lieblich vor sich hin.
»Na bitte, Verdauung funktioniert auch«, sagte der Bundespräsident ungerührt. »Worauf warten Sie noch?! Essen Sie!«
»Höchste Autorität«, sagte ich verlegen zu Emil. »Wir sollten tun, was er sagt, sonst ist das Zuwiderhandlung gegenüber der Staatsgewalt.«
»Jou«, sagte Emil, bevor er sich hungrig einen Speckpfannekuchen mit Orangenschalenmus in den Mund stopfte.
Eine Stunde später lümmelten wir zufrieden und satt und ein kleines bisschen beschwipst auf einem Ausflugsdampfer auf der Spree, Paulinchen, Emil und ich.
Wir hatten uns einfach davongemacht. Zuviel der positiven Reizüberflutung. Das musste erst mal verdaut werden. Vom Bundespräsidenten persönlich gefüttert zu werden!
Unsere Maschine ging erst abends um sieben. Bis dahin waren noch vier wunderbare, herbstlich-sonnige Stunden Zeit!
Wir streckten die Beine von uns – ich hatte mich hastig wieder in meine Gummizughose verstiegen und Sentas Kleinkariertes in einer Tüte auf der Kinderwagenablage verstaut – und ließen uns die wärmende Septembersonne auf den Pelz scheinen. Rechts und links zogen die Häuserfronten von Berlin vorbei.
»Ach wie ist es wun-der-schön«, trällerte eine flache Frauenstimme aus einer alten Grammophonaufnahme durch den blechernen Lautsprecher. »Dass es das noch gibt! Wie im Traum dahinzugehn, glücklich und verliebt!«
Jaja, dehnte ich mich wohlig auf meiner Holzbank, wie wahr, wie wahr! Welch herrlicher Tag! Sing du nur, alte Schabracke, du sprichst mir aus der Seele, und wahrscheinlich sind wir gleich alt. Baujahr elf oder dreizehn, hä?
Emil hatte sich seine coole verspiegelte Sonnenbrille aufgesetzt. Ob er mich ansah, konnte ich nicht erkennen. Wahrscheinlich sah er durch mich hindurch.
Paulinchen lag an meinem Busen und schlief. Dieser Anblick dürfte Emil seit Monaten hinreichend bekannt sein.
Dicke Mutti mit dickem Säugling am dicken Busen. Aber wer’s mag …
»Wenn man fragt, was mir gefällt …« Träller, träller. »Dann gesteh ich’s ein: Heute der und morgen der, denn Abwechslung muss sein!«
Genau, Mädel. Recht hast du.
Ich sah Emil an. Sah er mich auch an? Die coole Sonnenbrille spiegelte mein Gesicht. Ach je. War ich das?
Emil konnte mich doch unmöglich als weibliches Wesen wahrnehmen! Für den musste ich doch ein absolutes Neutrum sein! Wie Senta! Oder Frau Langewellpott-Biermann! Oder Oda-Gesine im wallenden Gewande!
»Kann denn Liebe Sün-de sein?«
Nö. Bestimmt nicht. Ich erinnere mich schwach … sehr schwach. Ach, Gott, ja. Was vor Paul alles so war …
»… darf denn niemand wissen, wenn man sich küsst, wenn man einmal alles vergisst … vor Glück …«
»Schauen Sie bitte mal nach links«, sagte der berlinernde Reiseleiter ins Mikrofon. Wir schauten nach links. Beide. Das war auch besser so.
»Det is det Schloss
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