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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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liebe jeden Akzent und schaue mit Vorliebe Sendungen, die mit einem Akzent moderiert werden.
    Dann kam ein handgeschriebener Brief, ebenfalls ohne Unterschrift: »Habe für 1 min nur gesehen – ›Wört-Flört‹. Die hezliche Schlampe, blöd bigmouth Karla Stein, alte Kuh! hat mich gekelt. Sie gehört nicht an Fernsehe, sonder in Mühlkippe. Die Sendung war drek! Danke!!«
    O.K., O.K. Auch dies ist eindeutig ein minderbemitteltes Wesen, versuchte ich mich zu trösten. Das ist indiskutabel, da denken wir gar nicht drüber nach. Los. Den Nächsten.
    Eine Postkarte, mit Druckbuchstaben geschrieben.
    »Früher hatte ›Wört-Flört‹ Pep, doch Karla Stein nahm ihn weg, gebt Karla eine Sendung für Blinde, Taube und Stumme, denn sonst ist der Zuschauer und dann DER SENDER der Dumme.« Ingrid Kurz aus Frechen war nicht so minderbemittelt wie ihre Vorgängerin. Sie hatte sich sogar die Mühe gemacht zu reimen!
    Ist doch interessant! Nimm’s nicht persönlich! Solche Schriebe kriegen wahrscheinlich alle Moderatoren. Irgendwie. Der Eine, weil er schwarz ist, der Andere, weil er dick ist, der Dritte, weil er einen Akzent hat. Und du kriegst jetzt Hiebe, weil du eine Mutti bist. Es gibt schlimmere Randgruppen. Wenn auch nicht im Medienbereich. Los. Mut. Das gehört dazu! Du bist jetzt so weit oben, dass es normal ist, mit »drek« beschmissen zu werden. Nimm’s nicht persönlich.
    Die nächste Zuschrift war eine ausgeschnittene Zeitungsnotiz. »Langweilig, geistlos, blass und ohne Charisma!« stand da, mit gelbem Textmarker hervorgehoben. »Weg mit dieser biederen TV-Mutti!«
    Aha, aha! Das hatte also in der ZEITUNG gestanden! Das war keine einzelne Meinung, das war »BILD«-dir-eine-Meinung! Das hatten vermutlich ein paar Millionen Leute gelesen!
    Daneben stand mit bösen Buchstaben: »Wir schalten diese Sendung nie wieder ein! Eine Mutti haben wir selbst zu Hause!«
    Es tat weh. Es tat schrecklich weh. Der Trick mit dem positiven Denken klappte nicht! Spätestens nach der vierten Ohrfeige lag ich am Boden. Die Wangen brannten, ich fühlte die Schamröte immer höher steigen, das Herz klopfte, mein Mund schmeckte nach Pappe. Ich war ganz allein. Ob ich Senta anrufen konnte? Jetzt? Nein. Sie war in einer Kindergartenbesprechung. Und auch wenn sie sie sofort verlassen hätte, um mir zuzuhören … ich würde sie nur belasten. Nein. Das wäre egoistisch. Senta machte viel wichtigere, wesentlichere Sachen als ich. Ich konnte sie da nicht mit reinziehen. Runterziehen, besser gesagt. Nein. Nicht Senta.
    Ich hatte mich nie zuvor in meinem Leben so allein gefühlt! Meine Finger zitterten, als ich mich zwang, den nächsten Briefumschlag zu öffnen.
    Es war ein Leserbrief an die »Bildzeitung«, den jemand ausgeschnitten hatte: »Weg mit Karla Stein! Sie ist langweilig, aufgeblasen und arrogant! Anne-Marie Hensel aus Fettenhennen am Lech.« Bumm. Der nächste Tiefschlag in die Magengrube. Aber sie hatte recht! Los. Der nächste Umschlag.
    Lotte Meier aus Pressath war die Absenderin, wie sie immerhin zugab. Sie war sogar des Schreibens mit dem Computer mächtig. »Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass der Vertrag mit Karla Stein bald ausläuft!« eröffnete sie ihren Brief. Dabei hatte ich doch gerade erst angefangen! Es war erst eine einzige Sendung über den Bildschirm gegangen. Wie konnte die Frau davon ausgehen, dass ich nur einen Vertrag über eine Sendung hätte? Was ging die überhaupt mein Vertrag an? »Die Schlaftablette steht wie eine biedere, ältere Hausfrau – ohne Witz, ohne Charme, ohne Kleidung und Frisur vor der Kamera. Aber NICHT MAL Hausfrau ist sie. Wie ich aus der Kochsendung von Christiane Herzog weiß, kann sie nicht mal ein Ei aufschlagen, und ihre vor sich hergeschobenen vier Reklamekinder werden vom Italiener oder Chinesen an der Ecke ernährt. Ich möchte der Dame einen Grundkochkurs an der Volkshochschule empfehlen, damit sie sich dann ausschließlich ihrer zahlreichen Familie widmen kann. Auf dem Bildschirm hat sie jedenfalls nichts verloren!!!!!«
    Ich zählte die Ausrufezeichen. Ja. Es waren fünf.
    Lotte, dachte ich. Einerseits verstehe ich deine Empörung. Und andererseits: Ist dein Brief nicht ein schreckliches Armutszeugnis? Wie spießig und engstirnig und intolerant manche Frauen sein können, wenn es um ihresgleichen in der Öffentlichkeit geht!
    Einen noch. Einen schaffte ich noch.
    Magda Hörmann aus Neuendettelsau schrieb handschriftlich auf ein Blatt Briefpapier: »Gibt es im

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