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Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Titel: Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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Groll runterzuschlucken und Frau Lechtermann eine Chance zu geben. Wir flogen also nach Hamburg, hüpften unter Biggis Obhut ein paar Mal von links nach rechts und bekamen zum Schluss jeder einen Preis. Bei mir war das ein Schwarz-Weiß-Fernseher. (Ich weiß bis heute nicht, warum das ZDF 1988, zwanzig Jahre nach der Einführung des Farbfernsehens, noch Schwarz-Weiß-Fernseher verschenkt hat. Wahrscheinlich war «1, 2 oder 3» so eine Art Wertstoffhof des Lerchenbergs, wo alles entsorgt wurde, was die Redakteure aus ihren Büros haben wollten. Ich bin froh, dass man mich nicht mit einem alten Bürostuhl nach Hause schickte.)
     
    Das Timing dieses Gewinns war einfach phantastisch, denn genau zu dieser Zeit wurde in unserer Straße Kabelfernsehen verlegt. Und das hieß für mich: Ich konnte endlich mitreden, wenn auf dem Schulhof die Fernsehsendung diskutiert wurde, die damals ganz Deutschland bewegte. Die die Gemüter erhitzte, die jeder kannte und trotzdem keiner schaute: «Der Preis ist heiß!» Diese Show hatte einfach alles, was die deutschen Fernsehzuschauer wollten: einen schmierlappigen Holländer, Models, die breit grinsend ihre ausgestreckte Hand an Fritteusen auf und ab gleiten ließen, und absurd hohe Preise für absurd wenig Gegenleistung. Sogar Walter Freiwald war damals für uns so eine Art Popstar unter den Moderatoren. Heute ist er eher so eine Art Walter Freiwald unter den Moderatoren.
     
    Doch es kam die Zeit, wo immer weniger meiner Mitschüler über «Der Preis ist heiß» sprachen, weil es plötzlich eine Sendung gab, über die man zwar nicht sprach, dafür umso mehr tuschelte. Sie hieß «Tutti Frutti». Immer öfter hörte ich von dieser Sendung flüstern, ich hörte von der
Kirsche
und der
Erdbeere
, von
Länderpunkten
, von
Möpsen
und von
chin-chin
. So richtig angefixt war ich aber erst, als mir ein Freund hinter vorgehaltener Hand anvertraute, er habe beim Schauen von «Tutti Frutti» eine geheimnisvolle dritte Funktion seines Penis entdeckt.
    Ich wartete den nächsten Sonntag ab, verschloss meine Zimmertür und schaltete RTL ein. Und da waren sie: die Erdbeere, die Kirsche und vor allem ganz, ganz viele Möpse. Was nicht kam, war die dritte Penisfunktion. Ich saß vor dem Fernseher wie ein Vierjähriger, der sich zu Weihnachten eine Carrerabahn gewünscht hat und eine Kinderbibel bekommt. Das sollte es also sein? Das ganz große neue Ding? Das Heißeste vom Heißen? Die Sendung, die Fünftklässer erröten und Gliedmaßen wachsen lässt? Ich war ratlos. Selbst «Der Preis ist heiß» erregte mich mehr als dieses «Bikini auf – Bikini zu».
    «Okay», dachte ich, «vielleicht liegt’s an meinem Schwarz-Weiß-Fernseher. Vielleicht muss man Möpse in Farbe sehen, um den Zauber nachvollziehen zu können.»
    Ich wartete also auf einen Sonntag, an dem mein Bruder nicht zu Hause war, und schaute «Tutti Frutti» auf seinem Farbfernseher. Wieder nichts.
    Irgendwann gab es «Tutti Frutti» dann sogar in 3-D, alle meine Freunde hatten sich Brillen besorgt, alle waren begeistert von den gigantischen Melonen, die ihnen da aus dem Bildschirm entgegenwuchsen. Nur ich saß mit meiner grün-roten Brille ratlos vor dem Fernseher und zählte aus lauter Langeweile die Fischchen, die hinter den Stripperinnen im dreidimensionalen Raum schwammen. 238 waren es, falls das jemanden interessiert.
    Mir war klar: Mit «Tutti Frutti» stimmt was nicht. Aus lauter Verzweiflung beschloss ich, es mal mit den Siebziger-Jahre-Softpornos zu versuchen, die RTL damals im Programm hatte. «Schulmädchenreport». Nichts. «Sunshine Reggae auf Ibiza». Nichts. «Beim Jodeln juckt die Lederhose». Wieder nichts. Was war denn da los? Warum geschah da unten denn nichts? Den Schilderungen meiner Freunde zufolge hätte ich längst freihändig die Programmtasten meines Fernsehers bedienen müssen!
     
    Tat ich aber nicht. Ich war frustriert und wollte gerade den Fernseher ausmachen. Doch da lief bei RTL ein französischer Erotikfilm an. Der hatte den Vorteil, dass in ihm weder Karl Dall noch Konstantin Wecker oder gar Hugo Egon Balder mitspielten, sondern Männer, bei deren Anblick man nicht direkt beide Augen zukniepen musste. Danach war mir einiges klar.
     
    Wie gesagt, keine Geschichte, die man mit stolzgeschwellter Brust am Kneipentresen erzählt. Aber kürzlich hat mich ein Freund tatsächlich übertroffen. Er wusste zwar nicht mehr genau, woran er gemerkt hatte, dass er schwul ist, aber was danach folgte, stellt meine

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