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Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Titel: Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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habt!», rufen meine beiden Enkel und hüpfen zu mir ins Bett.
    «Ach, das war eine verrückte Zeit», sage ich, während ich an meiner Senioren-Bionade Ginseng/Eierlikör nuckle. «Wir saßen zusammen auf der Couch …»
    «Ihr habt gesessen?», fragt der Ältere der beiden und legt die Stirn in Falten. «Aber da kann man sich doch gar nicht richtig bewegen! Man muss doch Tennis spielen oder auf dem Wii-Jetski fahren oder durch Hologramme laufen und mit der Hand auf Gegner schießen!»
    «Stimmt», pflichtet ihm sein jüngerer Bruder bei. «Man muss tanzen! Oder boxen! Oder box-tanzen! Man kann doch kein Videospiel machen und dabei nur faul rumhängen.»
    «Doch ihr zwei, das konnte man damals noch», seufze ich, während ich ihnen über die Haare streiche und mein Blick sich nostalgisch verklärt. «Damals ging das noch …»
     
    Was war das für eine schöne Zeit, als man noch vor dem Fernseher saß und bei «Tekken» hemmungslos auf Knöpfe hämmerte. Damals war die Rollenverteilung noch ganz klar: Gute Kinder spielen draußen Fußball, böse Kinder polieren sich zu Hause mittels Playstation die Fresse. Heute sitzen die bösen Kinder draußen auf der Parkbank und rufen Passanten Beleidigungen hinterher, während die guten auf Nintendos «Balance Board» vorm Fernseher stehen und mit Hula-Hoop-Übungen versuchen, ihren Wii-Fit-Wert zu verbessern. Irgendwas ist da schiefgelaufen.
    Nichts gegen Hula-Hoop, das kann lustig sein (zumindest bis man verwackelte Aufnahmen von sich selbst, gefilmt aus der Nachbarwohnung, bei YouTube wiederfindet). Außerdem sind die körperlichen Anstrengungen bei «Wii Fit» und ähnlichen Bewegungs-Programmen so minimal gehalten, dass auch amerikanische Kugel-Kinder sie bewältigen können («Heb das Bein zwei Mal! Gut gemacht! Jetzt solltest du dir eine Pause gönnen!»).
    Aber der eigentliche Sinn von Videospielen ist es doch, sich
überhaupt nicht
zu bewegen. Wenn ich meine Konsole anschalte, will ich mich auf der Couch fläzen («fläzen» – dieses wunderbare Wort werden meine Enkel vielleicht nie lernen!), Chips in mich hineinstopfen und mit fettverschmierten Fingern auf dem A-Knopf ausrutschen. Deshalb macht es mir Angst, wenn mal wieder ein Konsolenhersteller verkündet, dass sie ganz kurz davor sind, den lästigen Knöpfchen-Controller für immer aus dem Fenster zu werfen und durch total hippes Rumgehampel zu ersetzen. Ich will Knöpfe! Hüpfen, springen, Hüften wackeln gibt es schon, allerdings unter einem anderen Namen, den echte Videospiele-Fans meiden wie Resident-Evil-Zombies die Schrotflinte: «Sport».
     
    Und wenn wir schon dabei sind: Ich möchte bitte auch wieder selbst bestimmen, wann ich ein Videospiel spiele und wann nicht. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: Kaum öffne ich meine tragbare Mini-Konsole Nintendo DS , werde ich von «Doktor Kawashima» angepfiffen, weil ich seit drei Monaten kein Gehirnjogging mehr mit ihm gemacht habe: «Ihr geistiges Alter beträgt 45!», grummelt er dann vorwurfsvoll und schaut wie eine Mutter, die ihrem Kind sagt: «Nein, ich bin nicht sauer, ich bin nur sehr, sehr enttäuscht von dir!» Dann heul doch, japanischer Pixel-Kopf! Ich glaube sowieso nicht an die Theorie, die du mir nach jeder Gehirnübung einbläust, dass «das menschliche Gehirn mit zwanzig am leistungsfähigsten» sei. Mit zwanzig hab ich mich an der Theke meiner Lieblingskneipe mit Jägermeister-Red-Bull betrunken und mir mit Edding «Noch einen!» auf die Stirn geschrieben. Klingt das nach einem besonders leistungsfähigen Gehirn?
    Und wo soll die Anschnauzerei denn noch hinführen? Wird mich Super Mario demnächst traurig aus dem Fernseher anglotzen und sagen: «Du hast seit drei Tagen nicht gespielt. Prinzessin Peach ist jetzt leider tot, mein Bruder Luigi in der Klapse, und ich hab ganz schlimme Krampfadern vom Rumstehen. Aber ich nehme an, du hattest viel wichtigere Dinge zu tun!»
     
    Nein, Videospiele sollten einfach das bleiben, was sie vom Anbeginn aller Zeit an waren: sinnfreie, aber bumslustige Zeitverschwendung. Damit ich in 50 Jahren mit meinen dicken, chipsfressenden Enkelkindern im Bett sitzen und sagen kann: «Jetzt gib mir mal den Controller, der Opa will ein paar Zombies das Hirn rausballern. Und holt mir noch ’ne Bionade! Ach, was sag ich: Jägermeister-Red-Bull!»

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    Ich habe mich mit meiner Kaffeemaschine zerstritten. Sie war ein Geschenk von meinen Freunden zum dreißigsten Geburtstag, ein

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