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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Warten Sie einen Augenblick, nur einen kurzen Augenblick – wir wollen die Nacht begrüßen, wie es ihr gebührt …«
    Damit huschte sie hinaus und ließ ihn allein.
    Robert Sorant staunte.
    Robert Sorant wollte ihr folgen.
    Aber Robert Sorant erhob sich und ging hinaus auf den großen Balkon.
    Dort lehnte er sich gegen die Brüstung, auf der aus den Blumenkästen zarte Halme sprossen. Er blickte hinunter in den Garten, dessen Blütenstauden im Licht des Mondes zu ihm heraufleuchteten. In der Ferne rauschten die weiten Wälder, die jetzt die Hügel in ein mächtiges schwarzes Kleid einhüllten, und es glänzten die Schindeln der Dächer und der Zwiebelturm der Kirche und die weißen, getünchten Mauern der schmucken Häuser.
    In erhabener Pracht glitzerten die Sterne am klaren Himmel, es zog sich der breite Streifen der Milchstraße über das Firmament, und es blitzte die Venus direkt zu ihm herunter, als wollte sie sein Herz locken und seine Wünsche wecken.
    Robert Sorant dehnte sich und streckte die Arme weit nach den Seiten aus. Welch köstliche, reine Luft, und welche Lust, leben zu können und teilnehmen zu dürfen am Glück der Schöpfung!
    Ja, eine solche Nacht war es auch damals gewesen, als er in Heringsdorf an der Ostsee im Strandkorb gesessen hatte, zu den Sternen hinaufgeblickt und vor sich auf den Knien das Manuskript seiner neuen Tragödie liegen gehabt hatte. Damals suchte er den Schluß eines heldischen Gebetes. Und plötzlich, als er so zum Himmel emporgeschaut und die Sterne in sich aufgenommen hatte, war es ihm gewesen, als dringe ein Strahl der Sterne zu ihm herunter. Unwillkürlich hatte er die Augen geschlossen, und in seinem Geiste hatten sich Verse geformt, die von seinen Händen fiebernd niedergeschrieben worden waren. Als er nach einer Stunde wie aus einem Traum erwacht war, stand das Gebet vollendet auf den Blättern.
    Damals, ja damals wußte Robert Sorant, daß es einen Gott gibt, daß eine hohe Macht die Kunst schirmt und der Arbeit ihren Segen verleiht.
    Erschreckt fuhr er auf. Eine leichte Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt, eine Hand mit einem Aquamarinring.
    Langsam drehte er sich um.
    Da stand sie – Lucia Jürgens – wie eine Göttin, angetan mit einem langen Spitzenkleid. Über die nackten, weißen Schultern flossen lange, schwarze Locken. Eine rote Blume schimmerte in ihrem Haar. Die Augen blickten strahlend, und leise atmete die Brust.
    Stumm verneigte sich Robert Sorant – ganz tief. Dann nahm er sie in seinen Arm, schritt mit ihr hinein in das halbdunkle Zimmer, das erfüllt war von den Klängen der Musik aus dem Radio.
    Später standen sie wieder auf dem Balkon und hielten sich an den Händen gefaßt.
    »Wissen Sie, daß die Sterne Kälte bringen?« fragte sie und lehnte den Kopf an seine Schulter.
    Er lächelte.
    »Haben Sie schon Angst, daß wir beide erfrieren? Unsere Herzen haben doch noch gar nicht begonnen, zu glühen.«
    »Und doch ist das meine schon so heiß.«
    Wie zart sie sprechen kann, dachte Robert und rieb seine Wange an ihrem Haar. Und wie kindlich ist sie noch, trotz aller fraulichen Reife.
    »Wollen wir weitertanzen?« brach er das Schweigen und wiegte sich auf den Zehenspitzen im Takt zu den Klängen eines flotten Foxtrotts, den die ferne Band nunmehr spielte.
    »Nein, bitte nicht. Laß uns noch in die Sterne sehen. Sterne sind Träger unseres Schicksals – so habe ich einmal gelesen. Wieviel schöner würde es klingen, schriebe man: Sterne sind Träger unserer Sehnsucht.«
    »Und doch sind Sterne nur Materie. Der Mensch allein dichtet ihnen Wunderkräfte an.«
    Lucia schüttelte die Locken und legte wieder einmal den Kopf weit in den Nacken, so daß ihre Lippen fast unter die seinen zu stehen kamen.
    »Küß mich«, flüsterte sie.
    Sorant drückte seine Lippen auf ihren lockenden Mund. Da durchfuhr ein Beben ihren Körper; ihre Arme zuckten empor und drückten seinen Kopf fest auf ihren Mund. Und ebenso plötzlich ließ sie ihn wieder los.
    »Helfen uns nicht die Sterne? Ich wünschte mir, mich vergessen zu können – und ich habe mich vergessen!«
    Tränen standen in ihren Augen, und sie wandte sich ab, ging in das Zimmer zurück und setzte sich in den Sessel am Kamin.
    Robert blieb auf dem Balkon stehen. Und plötzlich ertappte er sich dabei, daß er nicht mehr an Lucia dachte, sondern an – Gerti.
    Wieso denn das? fragte er sich selbst verärgert. Bin ich verrückt, mir den Augenblick zu verderben?
    Gerti befand sich in Köln, lag um

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