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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bahn setzte, nach Altenbach kam, ihn bei Lucia antraf und …
    Also, nicht auszudenken das!
    Gerti, sein ›Möpschen‹, wie er sie nannte, im Anmarsch …
    Und Dr. Karl Weinhagen, der Scheidungsanwalt …
    In der Brusttasche raschelte noch dessen ungelesener Brief mit dem harten Beginn ›Du Wüstling!‹.
    Da zog sich Robert Sorant zurück in den Sessel am Kamin und nahm den Brief aus der Tasche.
    Mit durchaus schlechtem Gewissen las er die enggeschriebenen Zeilen. Mit noch schlechterem Gewissen faltete er den Bogen wieder zusammen. Mit ganz schlechtem Gewissen trottete er in die Küche, wo Lucia am elektrischen Herd stand und Kartoffelküchelchen buk.
    »Lucia«, begann er etwas zögernd, »Lucia, ich glaube … ich habe so das unbestimmte Gefühl … gestern der Regen … im Zimmer war es zugig … ich glaube, ich habe mich erkältet … und arbeiten kann ich heute auch nicht … am besten, ich gehe in mein Hotel und lege mich ins Bett.«
    »Und meine Kartoffelküchelchen?« Lucia rollte sie in der Pfanne umher. Sie waren so schön braun, so appetitlich knusprig, und es roch in der ganzen Küche so gut. Sorant bekam einen mächtigen Hunger auf Kartoffelküchelchen.
    Aber das Telegramm! Und der Brief! Und Gerti!
    Lucia betrachtete ihn mit teilnahmsvoller Miene.
    »Weißt du was? Du setzt dich in den Sessel, ich wickle dich in ein paar Decken ein, koche dir einen starken Tee, und du sollst sehen, wie munter du bald wieder bist.«
    Davon war jedoch Robert Sorant gar nicht überzeugt. Zum ersten lehnte er alles, was mehr oder minder nach primitiver Hausmittelkur aussah, überhaupt ab; und zum zweiten fühlte er sich wie zerschlagen und moralisch deprimiert, weil sich in ihm seine Verantwortung seinem ›Möpschen‹ gegenüber regte. Dies war zum erstenmal seit allen seinen bisherigen heimlichen Seitensprüngen der Fall, weil er instinktiv spürte, daß diese noch harmlose Affäre mit Lucia sich über kurz oder lang zu einem tiefen Liebesverhältnis auswachsen würde. Das aber war gefährlich. Bei sämtlichen vergangenen Abenteuern war es bei einem Flirt gesellschaftlicher Natur geblieben, und Möpschen hatte immer beide Augen zugedrückt, wenn er anderen jungen Damen auffällig den Hof gemacht hatte. Sie war nämlich eine kluge Frau und wußte, daß ein Künstler den prickelnden Reiz des Erlebnisses brauchte, um schaffen zu können. Doch hier bahnte sich etwas anderes an, etwas ganz anderes …
    Sei stark, sagte Robert zu sich selbst.
    »Ich bringe die Decken«, war Lucia zu vernehmen.
    Und Robert wurde schwach.
    Warum das Dasein nicht so nehmen, wie es kommt, sagte er sich. Man ist ein Mensch, ein Künstler sogar, man lebt nur einmal und zwar kurz, beängstigend kurz. Soll man sich die wenigen Jahre durch Entsagung verderben? Hat der Mensch nicht ein Recht auf Freude?
    Robert Sorant sagte zu Lucia, ehe diese die Küche verlassen konnte: »Bleib. Laß die Decken. Deine Kartoffelküchelchen werden mir bestimmt auf die Beine helfen.«
    Lachend ging er zurück ins Zimmer, nahm den Brief und das Telegramm aus der Tasche, zerriß beides in kleine Fetzen und streute diese vom Balkon in den Garten. Lustig tanzten sie in der Luft, gaukelten über die Blüten und verteilten sich wie einzelne Schneeflocken.
    Nur ein kleiner Fetzen aus dem Haufen war auf dem Balkon zurückgeblieben und lag zu Sorants Füßen.
    Auf diesem Fetzen stand ausgerechnet: ›Du Wüstling!‹
    Da hob Sorant den Fuß und fegte den Fetzen, der ihn ärgerte, auch hinunter in den Garten.
    Aber trotz allem – dieser Morgen und auch der Nachmittag, der folgte, ließ keine schöpferische Arbeit aufkommen. Man aß die Küchelchen, erzählte sich vom Baustil der Griechen. Sorant entwickelte das Weltbild des Platon, ab und zu wurde getanzt, zur Abwechslung auch geküßt und verliebt geflüstert, bis man wieder auf Griechenland zu sprechen kam, auf die Akropolis, auf Agamemnon und den Zerfall Trojas.
    Für alles zeigte Lucia lebhaftes Interesse und vielseitiges Verständnis – vor allem für das Küssen und verliebte Flüstern; und Sorant wunderte sich, daß ein solches Mädchen in einem Ort wie Altenbach lebte, anstatt in der Großstadt ihre Fähigkeiten und Eigenschaften auszuspielen.
    »Bist du eigentlich hier geboren?« tastete er sich an das Thema heran.
    »Nein, ich stamme aus dem Ruhrgebiet, aus Mülheim.«
    »Und wie kommst du hierher?«
    »Bin hergezogen. Wollte Natur um mich haben, einen richtigen Wald, blühende Blumen, Krokusse, deren Spitzen im

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