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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er.
    »Doch, doch.« Sie steckte die Nase zwischen die Blüten und nachdem sie dies mit sichtlicher Anerkennung getan hatte, fragte sie ihn: »Woran willst du arbeiten?«
    »An unserem Probebühnenbild.«
    Da wurde sie plötzlich verlegen, doch dem tatendurstigen Robert entging das, denn er steuerte schon auf das hintere Zimmer zu, einen kleinen Raum, den sich Lucia als Atelier eingerichtet hatte. Was er zu sehen bekam, überraschte ihn.
    Auf dem Tisch lag ein großes Reißbrett.
    Auf das Reißbrett war ein Bogen gespannt.
    Auf dem Bogen war der halbfertige Entwurf des Bühnenbildes zu sehen.
    Robert Sorant, der auf der Schwelle der Tür, die er aufgestoßen hatte, stehengeblieben war, riß die Augen auf. Alles hatte er erwartet, nur dies nicht. Wie lieb mußte ihn das Mädel haben.
    »Lucia«, sagte er leise.
    Keine Antwort erfolgte. Robert drehte sich herum.
    »Lucia?«
    Stille.
    Lucia war verschwunden, war geflüchtet, sie schämte sich ihrer Liebe.
    Robert fand sie auf dem Balkon. Tränen kollerten ihr aus den Augen. Gerührt nahm er sie in seine Arme.
    »Warum weinst du?« fragte er sie zärtlich.
    »Das weißt du doch.«
    Er zog sie mit sich in das kleine Atelier. Vor dem Reißbrett hielt er an, wies mit dem Finger darauf.
    »Wann hast du das gemacht?«
    »Vorgestern und gestern, als ich dich vermißte. Die Arbeit ging mir aber nicht leicht von der Hand, du siehst es, sonst hätte ich schon weiter sein müssen.«
    »Du hast mich vermißt, mein Engel?«
    »Wahnsinnig.«
    »Und wenn ich gar nicht mehr wiedergekommen wäre?«
    »Dann hätte ich dir das fertige Bild geschickt und wäre nach Hause, nach Mülheim, gefahren.«
    Da küßte Robert Sorant sie, küßte sie lange.
    Der Nachmittag aber wurde für beide ein Frühlingsfest.
    Zum erstenmal seit ihrer Bekanntschaft arbeiteten sie zusammen. Lucia zeichnete, Robert entwarf kleine Sinngedichte. Als Lucia darüber erstaunt war und ihn an den Komponisten, der er sei, erinnerte, erwiderte er, ein Künstler müsse sich durch seine Vielseitigkeit auszeichnen. Sie möge sich doch nur selbst ansehen.
    »Ich mich?« fragte sie ihn verdutzt.
    »Ja, du bist doch auch nicht nur Malerin und Bildhauerin.«
    »Was denn noch?«
    »Fotografin.«
    Nach gemeinsamem Gelächter einigte man sich darauf, die Arbeit, so wie sie jedem von ihnen vorschwebte, fortzusetzen. Zwischendurch wurde nach wie vor eifrig geküßt. Auf diese Weise kam die gegenseitige Freude, die empfunden wurde, nicht zu kurz; das Tempo wurde gefördert und der Geist angeregt, denn gerade diesbezüglich habe jeder Kuß, so behauptete Sorant, seine enorme Wirkung. Zwar hätte diese Theorie keiner wissenschaftlichen Nachprüfung standgehalten, aber sie gefiel trotzdem den beiden ungemein.
    An diesem Nachmittag wurde auch endlich der Bleistiftentwurf vollendet, dem das Aquarellieren folgen sollte. Mit keinem Wort mehr erwähnten die beiden die Auseinandersetzung vor zwei Tagen, sondern sie umgingen diese Klippe tunlichst und befleißigten sich verdoppelter gegenseitiger Zärtlichkeit. Lucia blühte förmlich auf und warf mit selten sicherer Hand das schwere Friesrelief des Tempels auf das Papier, während Sorant pfeifend seinen Federhalter schwang und die Welt in satirische Verse zerlegte. Eine künstlerische Hochstimmung hatte sie beide ergriffen. Als ahnten sie, daß dieser Augenblick nie wiederkehren würde, versenkten sie sich tief in ihre Arbeit. Zeit und Raum entschwanden ihnen.
    Die einbrechende Dämmerung setzte ihrem Schaffen schließlich ein Ende. Die Bäume vor dem Atelierfenster warfen lange Schatten in den Raum. Lucia Jürgens blickte auf.
    »Es wird dunkel, und bei künstlichem Licht kann ich nicht gut zeichnen.«
    Sorant nickte. Er saß zurückgelehnt in einem Korbsessel und hatte seinen Schreibblock auf den Knien liegen. Eine Zigarette hing ihm im Mundwinkel.
    »Überanstreng dich nicht, du brauchst nicht alles auf einmal nachzuholen, was durch unsere Dickköpfigkeit versäumt wurde.«
    Lucia erhob sich und trat zu Robert.
    »War es wirklich nur Dickköpfigkeit?«
    »Was sollte es sonst gewesen sein?«
    »Vielleicht Angst – Angst vor den Folgen.«
    Sorant schüttelte den Kopf, ergriff Lucias Hand und führte sie an die Lippen.
    »Ich habe nie Angst gehabt. Eigentlich kenne ich dieses Gefühl gar nicht. Nur eine leichte Unsicherheit macht sich bei mir bemerkbar in Situationen, in denen andere ängstlich sind. – Doch halt!« unterbrach er sich. »Ich habe gelogen. Einmal hatte ich doch Angst,

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