Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Kopf, doch er sagte nichts. Lucia stand auf und ging im Zimmer erregt hin und her.
    »Immer ist das Glück an mir vorbeigegangen«, sagte sie, »immer. Erzogen wurde ich in Internaten, ich machte mein Abitur, belegte die Kunstakademie in München, habe geschuftet und die Nächte durchgearbeitet, während meine Kommilitoninnen das Leben genossen, in Bars hockten, im Theater flirteten und bis zum Morgen tanzten. Ich habe nur meine Pflicht der Kunst gegenüber gekannt, habe das Leben vernachlässigt und Gefühle unterdrückt. Aber ich bin doch ein normaler Mensch – mein Gott! –, ich habe ein Herz, habe Gefühle und einen Drang zum Leben. Darf man das nicht haben mit dreiundzwanzig Jahren? Ist das strafbar? Ist es ein Verbrechen, den Wunsch zu haben, für das goldene Leben geweckt zu werden? Ich habe mir Idealbilder geschaffen, weil ich standhaft sein wollte, habe die Wünsche und Begierden meines Körpers unterdrückt und mich dadurch selbst bezwungen. Aber das Gefühl – die Seele – ließ sich nicht zwingen. So schuf ich mir Robert Sorant. Aus seinen Büchern, seinem Wesen wollte ich lernen, mich zu bezwingen, ohne den Glauben an die Schönheit zu verlieren. Und ich wollte bleiben, wie ich bin, bis ich einen Mann finden würde, der in mir nicht nur den Körper, sondern auch die Seele liebt. So traf ich dich – das Gegenteil all dessen, was ich mir erträumte. Und das Leben hat mich jetzt aus meiner Reserve gerissen – es gärt und fordert, aber es muß sich bescheiden, wie bisher. Und ich hatte an einen einzigen frohen, seligen Frühling geglaubt … an einen Frühling mit dir.«
    Lucia Jürgens blieb stehen und sah dem erschütterten Robert Sorant voll ins Gesicht.
    »Aber du stößt mich zurück, hältst fest an deinem Leben. Das ehrt dich, gewiß, das ist Adel der Gesinnung. Du hast eine Frau, ein Heim, ein glückliches Leben – doch warum soll der eine alles und der andere gar nichts haben?«
    Und plötzlich schrie sie laut auf: »Habe ich kein Recht auf Glück? Regt sich in mir keine Sehnsucht? Gehört ein Mensch nur einem anderen allein?«
    Schluchzend schlug sie die Hände vor die Augen, taumelte blind hin zur Glastür des Balkons.
    »Ich bin so einsam … verzeih mir … bitte … denke nicht mehr daran, vergiß es … und geh, bitte, geh jetzt …«
    Sie drückte das Gesicht gegen die Scheiben der Tür. Ihre Schultern zuckten.
    Leise nahm Robert Sorant sein Feuerzeug vom Tisch, erhob sich, ging wortlos aus dem Zimmer und zog vorsichtig die Wohnungstür hinter sich ins Schloß.
    Er schien versteinert zu sein. Sein Gesicht wirkte abgestorben, seine Augen blickten müde. Äußerlich schien er ruhig, aber in seinem Inneren tobte ein Sturm.
    Mit gesenktem Kopf ging er ins Hotel zurück. So konnte er auch nicht sehen, daß ihm oben durch die Glastür des Balkons ein Mädchen nachblickte und mit ihren Tränen die Scheiben netzte.
    Zwei Tage lang – eine Ewigkeit – sahen sich Lucia und Robert nicht mehr.
    Dann, am dritten Tag, stand Sorant plötzlich wieder auf ihrer Schwelle.
    Frech wie immer.
    Lächelnd wie immer.
    In einem eleganten grauen Flanellanzug.
    Sogar mit einem Schlips um den Hals.
    In der Hand einen Blumenstrauß.
    »Guten Tag«, sagte er und ging an der erstarrten Lucia vorbei in die Wohnung.
    Ungeheuer schnell schlüpfte ihm Lucia nach.
    »Was willst du hier?«
    Sorant sah sie groß an.
    »Welche Frage – arbeiten!«
    »Bist du denn noch normal? Nach einem solchen Auftritt?«
    Robert lächelte nachsichtig.
    »Jeder kann mal die Nerven verlieren. So schlimm war das ja gar nicht. Gewiß, du hast mich abserviert aber das war doch nicht dein Ernst.«
    »Meinst du?«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht.
    »Man sollte dich für deine Überzeugungen –«
    »Psst!« fiel er ihr ins Wort. »Hörst du nicht die Blumen schreien?«
    »Wie bitte?«
    »Die Blumen hier in meiner Hand, hörst du sie nicht schreien?«
    »Was soll denn das nun wieder heißen?«
    »Daß sie Durst haben. Sie schreien nach Wasser, das du ihnen geben sollst.«
    Das Ablenkungsmanöver hatte wieder einmal Erfolg.
    »Gib sie her«, sagte sie lachend. »Hoffentlich finde ich eine passende Vase für sie.«
    Sie verließ mit an die Brust gedrücktem Blumenstrauß das Zimmer, fand draußen natürlich eine passende Vase, füllte sie mit Wasser, steckte die Blumen hinein und kehrte zusammen mit dem Ganzen zurück.
    »Du hast dich in Unkosten gestürzt«, sagte sie.
    »Nicht der Rede wert«, meinte

Weitere Kostenlose Bücher