Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
spitzen Pinsel aus Dachshaar; sie blickte auf.
    »Das? Eine Gratulationsurkunde für unseren Lehrer, Professor Karl, auf der Akademie. Zu seinem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum. Und weil sie so schön war, schenkte Professor Karl sie mir nach dem Examen als Andenken. Unten kannst du seine Widmung lesen.«
    »Die Urkunde«, antwortete Robert, »hat er dir geschenkt?«
    »Ja, das siehst du doch.«
    »Ausgerechnet dir?«
    »Ja, warum? Was willst du damit sagen?«
    »Daß solche Geschenke Bände sprechen.«
    »Welche Bände?«
    »Nur Lieblingsschüler bzw. -Schülerinnen werden in solcher Weise ausgezeichnet.«
    Lucia errötete jäh.
    »Professor Karl«, sagte sie, »mochte mich ganz gern.«
    »Ich hoffe, nur wegen deines Könnens.«
    »Sicher. Oder bezweifelst du das?«
    »Nein, ich glaube es dir.«
    »Warum meckerst du dann daran herum?«
    »Du verstehst mich falsch – um dir deine eigenen Zweifel zu nehmen.«
    »Meine eigenen Zweifel?«
    »Deine Zweifel an dir selbst.« Robert wedelte mit der Gratulationsurkunde in der Luft herum. »Dieses Präsent, wiederhole ich, spricht Bände. Damit hat dich jener Professor Karl sichtbar ausgezeichnet. Wie alt war er?«
    »Über sechzig. Wieso?«
    »Weil ich, wenn er unter vierzig gewesen wäre, vielleicht doch auch ein unlauteres Motiv bei ihm vermutet hätte. Aber unter diesen Umständen ist alles in Ordnung. Ich beglückwünsche dich nachträglich, mein Schatz. Du warst Karls Beste.«
    »Danke«, lächelte Lucia.
    »Du weißt aber auch, mein Engel, daß es für mich dieses Nachweises« – Robert schwenkte wieder die Urkunde – »nicht bedurft hätte, um deine Qualitäten zu erkennen. Was sagte ich dir schon, seit ich den ersten Strich von dir gesehen hatte?«
    »Daß ich gut bin«, erwiderte Lucia glücklich.
    »Und daß du nicht erlahmen sollst. In diesem Sinne wirst du morgen die Arbeit fortsetzen und letzte Hand an unser Bühnenbild legen; es vollenden. Hast du verstanden?«
    »Jawohl, du Sklaventreiber.«
    Und so geschah es.
    Das fertige Werk hing dann als Schmuckstück im Atelier, direkt dem Fenster gegenüber, damit sich auch die Frühlingssonne ergötzen konnte an dem Marmortempel mit dem Fries, den großen Stufen, dem Altar, der flammenden Opferschale, den dunklen Zypressen und den Felsen, welche die Glut südländischer Sonne in Reflexen zurückwarfen.
    Lucia war stolz auf ihr Werk, auf ihr erstes, richtiges Bühnenbild, das nun bald in Berlin, München oder Hamburg mithelfen sollte, vielen Zuschauern die Feierlichkeit und Würde der Kunst zu vermitteln. Auch Robert war ein Stein vom Herzen gefallen, doch je mehr er sich über das Gelingen seines Planes freute, desto nachdenklicher wurde er von Stunde zu Stunde. Zwar war das Bühnenbild wirklich für eine seiner noch unaufgeführten Tragödien geplant – soweit war alles in Ordnung –, doch es tat sich nun wieder jene Kluft zwischen Lucia und ihm auf, die er mit der Herstellung des Bühnenbildes geschickt eine Zeitlang überbrückt hatte. Wollte er nicht der Versuchung erliegen, diesen frischen Mädchenkörper zu genießen und dadurch Möpschen, seine Frau, vielleicht für immer aufzugeben, so konnte nur eine künstlerische Arbeitsgemeinschaft die Illusion einer Liebe aufrechterhalten, einer Liebe, die zerbrechen mußte, wenn der Frühling dem reifen Sommer wich.
    Robert Sorant war zutiefst verwundert über diesen Zwiespalt seiner Seele und unternahm öfters den Versuch, in sich selbst einzudringen, aber da rief ihm der Einfluß der Umwelt ein ›Halt!‹ zu, und enttäuscht mußte er feststellen, daß er nicht das Maß jener neutralen Objektivität besaß, das notwendig gewesen wäre, um sich selbst zu ergründen.
    Lucia hingegen beschwerte sich nicht mit solchen Überlegungen. Sie war halb ein Mädchen, halb eine Frau, und ihre Gedanken wurden zumeist nicht von der Vernunft, sondern allein vom Gefühl geleitet. Wie ein Großteil der Frauen sah sie nur den Lebenskreis, der sich um ihre Seele konzentrierte, und lehnte alles ab, was sich dem nüchternen Verstand zuneigte. Frauen besitzen ja von jeher eine Abneigung gegen Logik, weil Logik alles zerlegt, teilt und wieder zusammensetzt mit klarer, unbarmherziger Deutlichkeit und Gewißheit. Vollendete Logik ist schon mehr eine Angelegenheit der Juristen und Mathematiker. Welche Frau aber, und vor allem welche Künstlerin mit einer so feinen Seele wie derjenigen Lucias, belastet sich mit juristischen und mathematischen Problemen oder Aufgaben?
    So blieb für Lucia

Weitere Kostenlose Bücher