Der Gentleman
den Kopf. Wenn ich mich momentan so ansehe, dachte er, muß ich feststellen, das nichts wandlungsfähiger ist als der Mensch. Wozu war ich vor Stunden noch entschlossen? Was habe ich gepredigt, mir selbst und diesem Mädchen da? Welche Philosophien vertrat ich?
War alles Quatsch.
Wer würde das sagen – alles Quatsch? Gerti.
Sie fällte dieses Urteil oft, und meistens zu Recht.
Immer wieder Gerti … seine Gedanken kehrten ständig zu ihr zurück.
Nur zwei Tage später hielt in einer Villa im Kölner Stadtwald eine blonde Frau einen Brief sowie verschiedene Aufnahmen eines splitternackten Robert Sorant, dessen Arm auf der Brust eines ebenfalls splitternackten Mädchens lag, in Händen.
»Gerti«, sagte die Blondine laut zu sich selbst, »was warst du für ein Schaf.«
Erst dann schossen ihr Tränen in die Augen, Tränen der Wut, aber auch Tränen enttäuschter Liebe. Was wog schwerer? Die Wut? Die Liebe? Momentan eindeutig die Wut.
Gerti kreuzte mit ihrem neuen ›Material‹ aus Altenbach bei Dr. Karl Weinhagen auf, dem Scheidungsanwalt, mit dem Robert und sie in besseren Tagen gemeinsam befreundet gewesen waren, ohne daran zu denken, daß ihn einer von ihnen jemals beruflich würde in Anspruch nehmen müssen.
Der gewichtigste Satz in dem Brief lautete: »Neuerdings wohnt Robert Sorant alias Heinz Robs auch noch bei seiner Geliebten, denn er hat sein Hotelzimmer aufgegeben und ist zu ihr in ihre Wohnung gezogen.«
»Und diesen Menschen willst du mir immer noch einreden, Karl?« sagte Gerti aggressiv zu Dr. Weinhagen.
Der Anwalt konnte seinen Blick nur mühsam von den Fotos losreißen. Seine Gedanken waren abwesend.
»Was sagtest du, Gerti?«
»Daß du mir diesen Menschen immer noch einreden willst!«
Dr. Weinhagen drehte eines der Bilder um, konnte aber auf der Rückseite keinerlei Aufdruck entdecken.
»Wer hat die Aufnahmen gemacht?« fragte er.
»Ein Detektiv.«
»Der Mann kann mit der Kamera umgehen.«
»Die zwei liegen im Freien«, antwortete Gerti.
»Auf einer Lichtung, ja, das kann man erkennen.«
»Wenn ich ihm einmal einen solchen Vorschlag gemacht hätte, du lieber Himmel, der hätte mich für verrückt erklärt!«
Dr. Weinhagen sah noch einmal alle Aufnahmen durch, eine nach der anderen. Sein Urteil änderte sich nicht.
»Die Fotos sind ausgezeichnet, Gerti.«
»Der hätte mich hundertprozentig für verrückt erklärt!« wiederholte Gerti böse.
Dr. Weinhagen, der das letzte Foto noch in Händen hielt und nicht so schnell aufhörte, es zu betrachten, war mit den Gedanken wieder woanders.
»Was meinst du, Gerti?«
»Karl!«
»Ja?«
»Ich habe den Eindruck, daß du …« Gerti nahm ihm energisch das Foto aus der Hand und legte es mit einer feindseligen Bewegung auf den Schreibtisch, »… nicht recht bei der Sache bist.«
»Doch, doch, meine Liebe.«
»Dann hör mir zu. Ich frage dich, bis wann ich mit einer Scheidung rechnen kann.«
»Du bist also entschlossen …« Sein Blick fiel auf die Zigarettenpackung, die in Reichweite auf dem Schreibtisch lag. »Stört es dich, wenn ich rauche?«
»Nein.«
Er nahm eine Zigarette heraus und hielt sie zwischen den Fingern.
»Du bist also entschlossen, Gerti …«
Er steckte die Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug aus ihr und hielt sie wieder zwischen den Fingern.
»… dich scheiden zu lassen?«
»Natürlich, was denn sonst, darüber müssen wir doch gar kein Wort mehr verlieren.«
»Darf ich dir einen Cognac anbieten?«
»Nein, heute nicht, danke.«
»Weißt du, ich habe schon Fälle erlebt, Gerti …«
»Ja?«
»Fälle, in denen Frauen – oder auch Männer – ihre ursprüngliche Absicht, sich scheiden zu lassen …«
»Karl!«
»Gerti, ich will dir nur sagen …«
»Karl!!«
»… daß ich deinen Mann ganz genau kenne. Dieses unerfahrene junge Ding da –« er zeigte auf die Fotos »– ist doch keine echte Konkurrenz für dich.«
»Karl!!!«
»Das kannst du mir glauben.«
»Ich verbitte es mir, von dir beleidigt zu werden!«
»Wieso beleidige ich dich?«
»Weil du mich für absolut blöd hälst!«
»Wieso blöd?«
»Je unerfahrener und jünger sie sind, desto gefährlicher sind sie! Und du tust so, als ob ich das nicht wüßte!«
»Gerti, manchmal …«
»Schluß jetzt!« erklärte Gerti kategorisch. »Wann werden wir geschieden?«
»Das hängt vom Gericht ab, wann es einen Termin festsetzt. Derzeit stöhnen die alle; sie sind total überlastet.«
»Aber du kannst doch
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