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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte.
    Inmitten dieses Flüßchens lag eine Insel, eine kleine Insel, die nur aus einem flachen Strand aus Kieseln und einem entwurzelten Baum bestand. Letzteren mußte ein mächtiger Sturm von der Höhe herabgeschleudert haben. Nun ließ er sein Wurzelgewirr aus dem Wasser ragen wie ein vielverzweigtes Korallenriff. Unter dem dicken Stamm, der frei in der Luft schwebte, gurgelte das Wasser und umspülte den flachen Strand. Vom Fluß waren Sand, Schlick und Steine herangeführt worden. All dies hatte sich im Lauf der Zeit im Wurzelwerk des Baumes verfangen, und so war das Inselchen entstanden.
    »Daraus kann noch allerhand werden«, meinte Robert.
    »Oder auch nicht«, sagte Lucia mit ihrem hellen Köpfchen, dem man nicht alles ungeprüft erzählen konnte.
    »Wieso nicht?«
    »Laß ein einziges Hochwasser kommen, das den Baum wegträgt – was dann?«
    »Stimmt«, meinte Robert knapp.
    »Dann wollen wir dieses Eiland betreten«, schlug Lucia heiter vor. »Noch besteht Gelegenheit dazu.«
    Sie entledigten sich ihrer Schuhe, Robert zusätzlich auch seiner Strümpfe, und wateten hinüber. Bachstelzen wippten mit ihren Schwänzen und flogen weg, erschienen aber in gewisser Entfernung bald wieder. Leise raschelte der Wind in dem halbhohen Schilf, das von den Ufern her ins Wasser wuchs, und weitab sah man ein Tal liegen mit einem kleinen Bahnhof. Das schwache Puffen einer Lokomotive tönte herauf, und eine leichte, weiße Dampfwolke schwebte wie ein Federwisch über dem Tal. Und überall Hügel und rauschende Wälder, Friede, Stille und Einkehr der Herzen inmitten dieses ganzen Zaubers der Natur.
    Robert setzte sich auf den Baumstamm, atmete tief durch und sagte: »Ein solches Plätzchen habe ich immer gesucht, die ganze Zeit her, selbst der Sonnenfleck war nur eine Teillösung. Ich fühlte es, irgendwo in dieser stillen Landschaft mußte sich ein Ort finden lassen, an dem man so ganz bei Gott ist, an dem man die Heiligkeit des Lebens spürt und das Grau des nüchternen Alltags vergißt.«
    Lucia, die neben Robert Platz genommen hatte, nickte und fing plötzlich an, ihr Leibchen aufzuknöpfen, um es sich auszuziehen. Robert folgte mit wohlgefälligen Blicken ihrem Tun.
    »Was machst du?« fragte er sie überflüssigerweise.
    Lucia war bei ihrer Bluse angelangt, der sie ohne Zögern dieselben Handgriffe angedeihen ließ wie dem Leibchen. Den Dirndlrock behielt sie an, vorläufig jedenfalls noch.
    »Ich möchte mich ein bißchen sonnen«, antwortete sie auf Roberts Frage.
    »Keine schlechte Idee«, meinte er und folgte ihrem Beispiel. Im Nu thronte er mit nacktem Oberkörper auf dem Baumstamm. Er war damit Lucia einen Schritt voraus, denn diese hatte es vermieden, auch noch ihren BH abzulegen.
    Die Füße der beiden baumelten im Wasser.
    »Ich komme mir vor«, sagte Lucia, »wie inmitten eines Wildwassers der Alpen. Schöner könnte dieses auch nicht sein.«
    »Aber wilder, entschieden noch wilder«, erklärte Robert und setzte hinzu: »Du hast wohl keine Ahnung von den Alpen.«
    »Ich war zwar noch nicht in Rom«, widersprach sie ihm, »aber, von München aus, in Garmisch-Patenkirchen. Die Zugspitze habe ich mir genau angesehen.«
    »Wohl von unten?« vermutete er.
    »Nein, von oben.«
    »Du warst auf dem Gipfel?«
    »Ja.«
    »Sicher mit der Bergbahn?«
    »Natürlich, mit was denn sonst?«
    »Es hätte ja auch zu Fuß sein können«, meinte er ironisch.
    »Soll das heißen, daß du hinaufgelaufen bist?«
    »Nein.«
    »Warst du denn überhaupt schon droben?«
    »Ja.«
    »Mit was?«
    »Mit der Bergbahn.«
    Lucia drohte, ihn ins Wasser zu stoßen. Das wäre aber keine Strafe gewesen, die Fluten reizten ohnehin zum Baden. Dies hätten sie jedoch völlig nackt tun müsse nund deshalb sahen sie davon ab, vorläufig jedenfalls noch.
    Lucia verspürte jedoch schon eine schreckliche Sehnsucht in sich nach ihrer Wanne zu Hause und nach einem Gummischwamm, den man mit dem Seifenschälchen torpedieren konnte.
    »Wolltest du eigentlich immer Malerin werden?« fragte Robert sie.
    »Nein, Ärztin.«
    »Du lieber Gott!«
    »Wieso? Hättest du mir das nicht zugetraut?«
    »Doch, doch, aber ich kann mir dich im weißen Kittel und mit einem Höhrrohr um den Hals –«
    »Einem Stethoskop, meinst du wohl?« unterbrach sie ihn.
    »Ja, das klingt gelehrter. Ich kann mir dich also mit einem solchen Ding um den Hals, von Krankenbett zu Krankenbett schreitend, einfach nicht vorstellen.«
    »Ich wollte mich auch mehr der medizinischen Forschung und

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