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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lucia.
    »Rooom! Floreeenz!« Der Mann küßte sich die Fingerspitzen. »Herrliche Städte! Unendliche Kunstschätze! Ungeheure Vergangenheiten!«
    Dann beruhigte er sich wieder ein bißchen und sagte: »Eigentlich wollte ich Sie aber fragen, woher Sie von Haus aus kommen.«
    »Aus Köln«, eröffnete ihm Robert.
    »Sie auch?« erkundigte sich der Mann, der den Dingen allem Anschein nach auf den Grund gehen zu wollen schien, bei Lucia.
    »Nein, aus Mühlheim.«
    »So findet man sich … Köln und Mühlheim …« Der Mann nickte nachdenklich. »Aber man weiß ja … wo die Liebe hinfällt …«
    Plötzlich schien ihm ein Gedanke zu kommen; er hob die Kamera halb hoch.
    »Ich hätte eine Bitte: Dürfte ich Sie knipsen, zum Andenken? Ich bin schon Jahre verwitwet und kann Ihnen gar nicht sagen, was ich bei Ihrem Anblick alles empfinde. Ich war nämlich auch sehr glücklich verheiratet.«
    Zum erstenmal zuckte Robert innerlich etwas zurück, doch Lucia, deren Herz sich von einem einsamen, alten Witwer sofort und gänzlich erweichen ließ, meinte spontan: »Natürlich dürfen Sie das. Wir stellen nur eine Bedingung: Sie müssen uns Abzüge schicken.«
    »Nicht nötig, ich bediene Sie sofort«, erwiderte der Fremde, der einen restlos zufriedenen Eindruck machte. »Dies hier«, fuhr er fort, seinen Apparat schwenkend, »ist eine Schnellbildkamera. Sie liefert die fertige Aufnahme innerhalb einer Viertelminute. Sie werden sehen …«
    Robert und Lucia ließen sich achtmal knipsen, in acht verschiedenen Positionen – stehend, kauernd, liegend, aber immer sich dabei küssend oder zumindest sich umarmend. Der Kahlköpfige platzte fast vor Freude. Er sprang um die beiden herum, ernannte sie zu ›idealen Modellen‹, sprach von ›unbezahlbaren Schnappschüssen‹. Mit letzterem kam er der Sache, für die er hier tätig war, sehr nahe.
    Vier der Aufnahmen trat er an Lucia und Robert ab, vier behielt er für sich. Er traf dabei eine gewisse Auswahl, für welche die Hitze der Küsse und Umarmungen ausschlaggebend waren.
    Eine letzte Bitte wagte der einsame Witwer noch, sozusagen eine Autogrammbitte. Er hatte auch einen Kugelschreiber zur Hand.
    »Würden Sie mir auf meine Exemplare Ihre Namen schreiben? Ich möchte sie nicht vergessen«, sagte er in der nettesten Weise.
    Da Robert trotzdem zögerte, ergriff Lucia den Stift und schrieb auf die Rückseite jedes Fotos ›Heinz und Lucia Robs auf ihrer Hochzeitsreise‹.
    Schier zu Tränen gerührt, packte der einsame Witwer sein Gerät und die Aufnahmen zusammen. Plötzlich schien er es dann sehr eilig zu haben. Rasch verabschiedete er sich und verschwand im Wald. Auf dem kürzesten Weg strebte er Altenbach zu. Was dort zu tun sein würde, malte er sich bei jedem seiner hastigen Schritte genüßlich aus:
    Die Aufnahmen in ein Kuvert stecken – Absender: Detektei Falke – Adressatin: Frau Gerti Sorant, Köln – Kuvert als Einschreiben heute noch zur Post bringen – Rechnung beilegen nicht vergessen!
    Wieder einmal konnte eine Kundin der Firma Falke mehr als zufrieden sein.
    Während der Detektiv durch den Wald hastete, saßen Lucia und ihr Robert wieder im Gras und lachten sich einen Ast über den alten Witwer, der in ihren Augen wohl irgendwie noch einmal seiner Jugend hatte nachspüren wollen. Über so etwas zu lachen ist zwar dumm, aber welche Leute, die selbst noch jung sind, wüßten das schon? Im übrigen schnitten sich ja die zwei ganz schön in die Finger.
    Was haben wir den an der Nase herumgeführt, glaubte jeder der beiden noch immer.
    »Wollen wir wieder aufbrechen?« schlug Robert schließlich vor. »Oder fühlst du dich dazu noch nicht in der Lage?«
    Lucia sprang munter auf, und sie zogen los.
    »Aber noch nicht nach Hause«, entschied sie, wie zum Beweise dafür, daß sie sich im Gegenteil noch zu allem in der Lage fühlte.
    Am Fuße eines Hügels schimmerte ein Flüßchen, das an beiden Ufern von dichtem Gestrüpp eingesäumt war und lustig über große, flache Steine sprang. Das Murmeln der Wellen wirkte so verlockend auf Robert und Lucia, daß sie einander an den Händen nahmen und schräg den steilen Abhang hinunterliefen. Ihre Füße wirbelten am Boden das tote Laub vom vergangenen Herbst auf. Die Vögel stoben entsetzt davon. Ein stiller, halb verwachsener Waldweg wurde übersprungen, eine kleine Bodenwelle ebenso, und dann standen die zwei an dem Flüßchen, das mit seiner relativ starken Strömung alle Steine in seinem Bett platt und glatt geschliffen

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