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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kamerun die Schwärme der Mücken, die kokosnußähnliche Eier mit Kölnisch-Wasser-Duft und Karlsbader-Salz-Wirkung legten. Doch der Ehrgeiz des Mädchens war noch lange nicht gestillt. Die Ehrendoktorwürden mehrerer afrikanischer Universitäten konnten sie nicht befriedigen, nein, ihr Drang, den Schleier der Isis von noch unerforschten Gebieten der Medizin zu reißen, ließ ihr nach wie vor kaum eine Nacht Ruhe.
    Wenn sie so in den langen Tropennächten, geschützt von ihrem Moskitonetz, beim Schein einer Lampe in ihren Reagenzgläsern die Darmflüssigkeit der Kreuzscheckmücke untersuchte, erschien sehr oft der alte Häuptling, den ihre Hingabe an ihn zu einem anderen Menschen – bzw. überhaupt erst zu einem Menschen – gemacht hatte. Ergeben saß er ihr zu Füßen und sah mit stumpfen Augen ihrer Beschäftigung zu. Er wußte nicht, was sie tat, aber das war ihm auch egal, wenn er nur bei ihr weilen konnte. Er glaubte an sie, hoffte auf eine zweite Hingabe von ihr, sah in ihr die Göttin seines Lebens und wäre bereit gewesen, ihr jedes Tier- und vielleicht sogar auch Menschenopfer darzubringen. Sie hätte nur ein entsprechendes Verlangen äußern müssen. Wenn er auch nicht mit dem Hormonserum des Mädchens geimpft war, so drängte es ihn doch mit Macht in die Nähe dieses zierlichen Geschöpfes, das er nur zu gern für immer in seinen Besitz genommen hätte. Das Konsulat der Weißen schob dem einen Riegel vor. Sich dagegen aufzubäumen, war nicht ratsam, das wußte der Häuptling, der mit seinen schwarzen Untertanen umgehen konnte, wie es ihm beliebte.
    Saß er zu Füßen seiner Göttin und blickte er auf ihre kleinen Hände, die in rastloser Arbeit der großen Zauberei – ›Wissenschaft‹ genannt in der Sprache der Weißen – Gewaltiges schenkten, ergriff ihn ein Sehnen, diese Finger seiner Göttin zu küssen, wie er es schon in Vorstellungen eines den Busch abklappernden Wanderkinos gesehen hatte.
    Von der ganzen Seelennot des ›Starken Nashorns‹ ahnte das Mädchen wenig. Manche Anzeichen entgingen ihr natürlich nicht; sie faßte sie im stillen in den prosaischen Ausdruck ›Geilheit‹ zusammen. Angst vor unkontrollierten Gewaltakten des Alten hatte sie keine mehr; sie spürte, daß er ihr gegenüber irgendwie klein geworden war.
    Schließlich fand sie noch ein neues Präparat: ein probates Putzmittel. Es mag erstaunlich klingen, daß auf dem Weg der Drüsenforschung ein Putzmittel im wissenschaftlichen Netz hängenbleibt, doch da das Mädchen früher als Haustochter oft zu putzen unerwünschte Gelegenheit gehabt hatte, fand sie, daß eine von ihr zusammengemixte Salbe zur Bekämpfung der Hämorrhoiden bei der Tje-Tje-Mücke sich vorzüglich auf den Boden streichen ließ, den Staub absorbierte und mit Leichtigkeit wieder aufzuwischen war. Danach sah der Boden wie gebohnert aus. Das Mädchen jauchzte über diesen unerwarteten Erfolg ihrer Arbeit und schickte eine Probe der Salbe der Zentralstelle für Tropenforschung ein, die ihr nach Wochen antwortete, mit der Paste seien frappante positive Ergebnisse bei der Behandlung von Fingerspitzenkatarrh und Haustürenschnupfen zu erzielen gewesen.
    Das Mädchen sprang vor Freude herum, tanzte und sang, und das ›Starke Nashorn‹ bekam einen spontanen Kuß. Daraufhin schloß sich der Häuptling acht Tage lang in seiner Hütte ein, ließ sich nur das Notdürftigste an Nahrung bringen und betastete immer wieder die geküßte Backe, die von diesem Tage an auch nicht mehr gewaschen wurde. Aus einem nichtigen Anlaß verstieß er dann seine Lieblingsfrau, der dieser Status ohnehin schon längst verlorengegangen war. Sie hatte versucht, beim Häuptling wieder Boden zu gewinnen, indem sie ihm berichtete, daß die ›weiße Zauberin‹ sich nicht scheue, tief unter eine Häuptlingsfrau zu sinken. Man könne sie beobachten, wie sie auf den Knien herumrutsche und selbst ihren Fußboden reinige.«
    Robert legte eine Pause ein. Lucia amüsierte sich über dieses Mammut-Märchen. Robert zündete sich eine Zigarette an, zog ein paarmal tief an ihr und warf den angerauchten Glimmstengel ins Wasser. Dann nahm er den Faden der Geschichte wieder auf.
    »Die Forscherin war stolz auf sich selbst. Ihre Freude war so groß, daß die Stammesangehörigen Anlaß sahen, sie ›Sicherndes Eichhörnchen‹ zu taufen. Plötzlich aber wurde diese Freude gedämpft. Ein Blick auf den Kalender zeigte dem Mädchen, daß ihr Geburtstag nahte, und das machte sie auf einmal traurig. Sie ging

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