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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strömung war beträchtlich.
    »Kalt!« stieß Lucia hervor und schüttelte sich.
    »Stehendes Wasser wäre wärmer«, pflichtete ihr Robert bei.
    Beide hielten ihre Arme noch ausgestreckt über dem Wasser.
    Eine höhere Welle schoß heran und leckte an Lucias Brust. Ein spitzer Schrei erscholl, Lucia machte eine unkontrollierte Bewegung, um dem unerwarteten, allzu raschen und kalten Angriff auf eine ihrer empfindlichsten Regionen zu entgehen, rutschte aus und tauchte mit einem zweiten Jodler bis zum Kinn in die Fluten. Und da die Strömung, wie gesagt, ziemlich stark war, trieb das Mädchen ab, an der Insel vorbei, auf einen kleinen Wasserfall zu.
    Sorant, der belustigt Lucia zugeschaut hatte, hörte auf zu grinsen. So hübsch der Wasserfall vom Ufer aus anzusehen war, so wenig gefiel er ihm in diesen Momenten. Lucia würde über die Steine geschleudert. Es war anzunehmen, daß sie ziemlich ramponiert unten an kommen würde. Da Robert auch sah, daß Lucia nicht die Kraft hatte, gegen die Strömung anzukämpfen, sondern dem Fall zutrieb, trotz aller Bemühungen, dies zu vermeiden, warf er sich mitten in die Strömung und ließ sich von ihr mitreißen.
    »Wehr dich!« rief er Lucia zu. »Bremse! Ich überhole dich, lege mich vor den Wasserfall und fange dich ab!«
    Lucia nickte im schäumenden Gischt mit zusammengepreßten Lippen und arbeitete wie ein Kuli. Doch die glatten Steine boten keinen Halt. Hände und Füße rutschten überall ab. Schwimmend aber gegen die Strömung anzukommen, war an dieser Stelle völlig ausgeschlossen.
    Rasch schoß Robert auf den Wasserfall zu und wußte noch nicht, wie er sich selbst abfangen sollte. Er mußte damit rechnen, sich mehrere Knochen zu brechen, aber was sollte er machen? Lucia war in Gefahr. Es konnte für sie ganz bös ausgehen, wenn er sich jetzt mit ein paar kräftigen Stößen ans Ufer rettete. Deshalb war für ihn jeder Gedanke an so was ausgeschlossen.
    Während er noch krampfhaft überlegte und einen goldenen Mittelweg suchte, setzte auch schon die Katastrophe für ihn selbst ein. Wie in einen Trichter rammten unter Wasser seine Beine in einen Spalt zwischen zwei Felsen hinein und wurden festgeklemmt. Ein wahnsinniger Schmerz an Knöcheln, Schienbeinen und Knien durchzuckte ihn. Der Druck des reißenden Wassers von oben her hielt unvermindert an. Robert saß dadurch in bedrohlicher Weise fest.
    Er hatte keine Zeit, seinem Schmerz nachzugeben. Lucia mußte vor Unbill bewahrt werden. Zum Glück trieb sie direkt auf ihn zu. Es erwies sich deshalb als leichter, sie in Empfang zu nehmen, als er gedacht hatte. Freilich preßten ihn, als er sie in seinen Armen auffing, ihr Gewicht und der Druck des Wassers gegen sie beide nur noch tiefer zwischen die Felsen.
    Er stöhnte.
    »Was ist?« fragte Lucia. »Hast du dich verletzt?«
    »Meine Beine stecken wie in einem Schraubstock zwischen zwei Felsen«, antwortete er.
    »Tut's sehr weh?«
    »Gebrochen ist, glaube ich, nichts, aber viel Haut wird beim Teufel sein.«
    »Kannst du dich nicht rausarbeiten?«
    »Alleine nicht. Du mußt mir helfen.«
    »Nichts lieber als das. Aber wie?«
    Robert blickte um sich und prüfte die Chancen, die ihm seine Lage ließ.
    »Soll ich um Hilfe rufen?« fragte Lucia.
    »Zwecklos«, erwiderte er. »Versuch lieber, mit deinen Füßen Halt am Boden zu finden.«
    Lucia, die in seinen Armen hing und dabei mehr oder minder waagrecht im reißenden Wasser lag, drückte Gesäß und Beine nach unten und erreichte die Steine am Grund.
    »Wenn die nur nicht so glatt wären!« meinte sie klagend.
    »Versuche trotzdem Halt zu finden«, wiederholte er. »Davon hängt alles ab. Taste herum.«
    Lucia schwieg. Sie blickte angestrengt ins Wasser, als wollte sie es mit den Augen durchdringen. Ein unmögliches Unterfangen. Lange sagte sie nichts. Da Robert wußte, was sie anstrebte, war nicht schwer zu erraten, daß ihre Sohlen tasteten und tasteten.
    Endlich stand sie etwas fester.
    »Jetzt«, sagte sie und lockerte probeweise den Griff ihrer Arme um seine Schultern.
    Das dauerte nur einen Augenblick. Um ein Haar wäre sie weggerissen worden, wenn sie sich nicht sofort wieder an ihm festgeklammert hätte.
    Das Ganze begann also noch einmal von vorne.
    »Jetzt«, sagte Lucia nach einer Ewigkeit wieder.
    Und diesmal war es nicht zuviel, was sie sagte, ihr Stand hielt.
    Mit gepreßter Stimme wies Robert sie an: »Nun versuche, mir unter die Achseln zu greifen – aber vorsichtig, ganz langsam!«
    Sie tat es.
    »Stemm dich

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