Der Gentleman
kann nichts mehr rückgängig machen. Aber wie gern würde ich das tun.«
Die Antwort, die Robert darauf fand, lautete lediglich: »Wir haben keine Kinder.«
Willers blickte ihn eine Weile stumm an, nippte an seinem Glas, blickte ihn wieder an und sagte schließlich zu ihm: »Du bist ein gottverdammter Idiot! Ein gottverdammter Idiot bist du! Genau wie ich!«
»Bist du gekommen, um mir das zu sagen?«
»Nein.«
»Sondern was?«
»Ich will dir eine Frage stellen.«
»Welche?«
»Ist es richtig, daß du dich als Chefredakteur einer neuen Zeitschrift anheuern ließest?«
»Woher weißt du das?«
»In der Branche gehen Gerüchte herum. Aber das spielt keine Rolle. Ich möchte von dir hören, oh es stimmt oder nicht.«
Robert sah, daß seine Antwort ein harter Schlag für Willers werden würde. Trotzdem mußte er die Wahrheit bekennen.
»Ja«, sagte er, »das ist richtig.«
»Du gehst also zur Konkurrenz«, erklärte Dr. Willers schwer enttäuscht.
»Wer sagt denn das? Meine Romane werden doch nach wie vor in deinem Verlag herauskommen.«
»Daß ich nicht lache! Erstens wird dich die Zeitschrift auffressen. Du wirst keine Zeit mehr zu einem kleinen Roman haben, geschweige denn zu einem großen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Und zweitens wird dem neuer Verlag sehr rasch dafür sorgen, daß jede Zeile von dir nur noch bei ihm erscheint. Das würde auch ich nicht anders machen.«
»Dazu gehören zwei – der neue Verlag und ich.«
»Ganz richtig, der neue Verlag und du.«
»Und ich werde mich nicht von der Zeitschrift auffressen lassen. Ich werde mir, wie bisher, sehr wohl die Zeit zu Romanen nehmen. Und meine Bücher werden keineswegs bei einem anderen Verlag als dem deinen erscheinen.«
»Ach«, sagte Dr. Willers, deprimiert abwinkend, »hör auf, ich weiß das besser. Ich kenne solche Fälle zur Genüge. Ich habe oft genug gesehen, wie das läuft, Robert.«
»›Heinrich‹, bitte.«
»Immer noch? Wozu denn? Ich hau' ja sowieso gleich wieder ab und verschwinde aus Altenbach. Von mir kann dir also keine Gefahr mehr drohen.«
»Laß uns noch einen trinken, es pressiert doch nicht so.«
Willers verzog ironisch sein Gesicht.
»Vergiß nicht, die Dame deines Herzens wartet.«
»Laß sie warten. Ich möchte mit dir noch reden. Was ist mit dem Vertrag zwischen uns, der ja noch gültig ist? Demzufolge bin ich verpflichtet, dir bis zum Ende des Jahres ein fertiges Manuskript zu liefern. Das willst du doch haben?«
»Nein, nicht mehr.«
Das war eine Riesenüberraschung für Robert.
»Neiiin?« antwortete er gedehnt.
»Nein.« Willers trank den Rest seines Glases aus. »Weißt du, ich entlasse dich aus diesem Vertrag. Du hast mich schwer enttäuscht, ich möchte die Zusammenarbeit mit dir schon jetzt aufgeben.«
Der Verleger winkte dem Kellner, zahlte und erhob sich.
Trotz stieg in Robert hoch.
»Bekomme ich das schriftlich?« fragte er Willers.
»Schon in den nächsten Tagen. Es besteht allerdings noch eine kleine Schwierigkeit.«
»Welche?«
»Die Adresse. Du mußt mir sagen, mit welcher das Schreiben zu versehen ist. Mit ›Heinrich Robs, Altenbach‹, oder mit ›Robert Sorant, Köln‹?«
»Mit letzterer.« Das kam reichlich gepreßt aus dem Mund Roberts, der sich der Wirkung des Hohnes des anderen natürlich nicht entziehen konnte.
Mit einem knappen gegenseitigen »Mach's gut« endete eine langjährige Geschäftsverbindung; es endete aber auch eine Freundschaft, die Robert bis zu dieser Stunde zwar immer mit skeptischen Augen gesehen hatte, deren Verlust ihn jedoch nun trotzdem schmerzte. Starr blickte er dem Dicken nach, hörte den Mercedes draußen davonfahren, rief den Ober und ließ sich noch einen doppelten Cognac und ein großes Bier bringen. Dann begann er richtig zu trinken, denn bei dieser Bestellung blieb's nicht. An Lucia dachte er vor läufig nicht mehr.
So oft ein Glas leer war, stierte er in dies hinein, und der schimmernde Boden vertrat ihm eine Filmleinwand auf der die Ereignisse in Bildern abliefen. Seine ganzen Erlebnisse in Altenbach zogen an ihm vorüber: die Anreise; das Hotel; das Zimmermädchen, welches ›Durch dick und dünn‹ probte; der Hustenanfall; das Probebühnenbild; die Zeitschriftenköpfe; der Sonnenfleck; das Inselchen; die Felsen, zwischen denen er steckte.
»Und wer hat mich da herausgezogen?« fragte er sich im Selbstgespräch gar nicht sehr leise.
Alle Tische in der Nähe waren jedoch leer, so daß ihn niemand hören konnte.
»Lucia, die hat
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