Der Gentleman
anzuregen. »Ich denke, Eifersucht.«
Anscheinend hatte er Erfolg.
»Wieso Eifersucht?« erwiderte Lucia. »Kann es bei so niedrigen Tierarten überhaupt Eifersucht geben?«
»Selbstverständlich. Denk an die Geschichte, die ich dir von jener Blattlaus erzählt habe.«
»Heinz!«
Er war nicht zu bremsen.
»Und die Spinnen hier«, sagte er, »zeigen uns das gleiche. Betrachte sie dir nur einmal. Die eine trägt ein Kreuz auf dem Rücken, die andere gar nichts. Daraus ist klar ersichtlich: Die Spinne, die ihr Kreuz trägt, ist verheiratet. Die andere ist ledig. Ob sie noch unschuldig ist, kann man nicht sehen; ich nehme aber ganz sicher an, nicht mehr.«
»Heinrich!«
»Beide sind Spinnenmännchen. Das beweist bei dem verheirateten schon nach außen hin das Kreuz auf seinem Rücken. Wenn ein Partner in der Ehe ein Kreuz trägt, ist es immer der Mann.«
»Ach nein!«
»Dieser Spinnenmann ist nun von einem Kriegszug gegen die Wasserflöhe zurückgekehrt und fand seine Frau in den sechs Armen dieses Jünglings da, der also, wie ich schon sagte, keineswegs mehr unschuldig sein kann. Was tat der Spinnengatte? Er forderte den Liebhaber seiner Gattin zum Zweikampf heraus und rief so das Gottesurteil seines Wasserspinnen-Manitous an. Das ist doch alles ganz einfach und einleuchtend, nicht wahr?«
Lucia beschloß, auf den Unsinn einzugehen.
»Und wer wird gewinnen?«
»Das ist schwer zu sagen. Nehmen wir wieder an, der Spinnengatte hat die beiden nach soeben vollzogenem Ehebruch überrascht – in flagranti also –, so muß notgedrungen der Gatte gewinnen, weil der Jüngling von der Liebesstunde noch zu sehr geschwächt ist.«
Lucia konnte sich des Lachens nicht erwehren.
Robert fuhr fort: »Nehmen wir aber umgekehrt an, der Wasserspinnenjüngling –«
Da unterbrach ihn Lucia und sagte fest: »Der gewinnt!«
Robert sah aufs Wasser und fand, daß der Ausgang des Kampfes noch völlig offen war.
»Ich sage: Der Gatte siegt!« erklärte er.
»Nein, der Jüngling!«
»Der Gatte!«
»Der Jüngling!«
»Warum?«
»Weil er jünger ist.«
»Du denkst an Ring- oder Boxkämpfe der Menschen. Aber bei den Tieren gelten oft andere Gesetze. Betrachte einmal den Elefanten. Je älter er wird, desto mehr wächst seine rohe Kraft, allerdings auf Kosten der Schnelligkeit. Ein achtzigjähriger afrikanischer Elefant haut mit einem Rüsselschlag einen zwanzigjährigen ohne Schwierigkeiten um. Schließen wir nun von den Elefanten auf die Wasserspinnen, dann …«
»Was dann?«
»Dann ist klar, daß hier der Gatte gewinnt.«
»Nein!«
»Doch!«
»Wollen wir wetten?«
»Um wieviel?«
»Um den heutigen Abwasch.«
»Gut.«
Sie schlugen ein, starrten aufs Wasser, und jeder hielt ›seiner‹ Spinne den Daumen, bis Lucia plötzlich rief: »Meine gewinnt!«
Richtig, die Spinne mit dem Kreuz hatte es anscheinend satt. Sie trat den Rückzug an.
»Du Feigling, du!« rief ihr Robert zu.
»Ich wünsche dir viel Vergnügen beim Geschirrspülen, wenn wir gegessen haben werden«, sagte Lucia mit vergnügter Miene.
»Was gibt's denn? Ich habe schon Hunger.«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Mach ein paar Brote.«
»Kommt nicht in Frage, ich werde groß aufkochen, damit ein Haufen Geschirr anfällt.«
»Weißt du was?« zog sich Robert aus der Affäre. »Wir gehen in die ›Post‹ essen, ich lade dich ein.«
Und sie brachen auf.
Der Weg nach Hause, der für Robert ohnehin mühsam genug war, wurde ihm noch versüßt von einer Wespe, die sich auf seinen Nacken setzte und in diesen kurzerhand ihren Stachel versenkte. Sie hatte dazu keinerlei Anlaß, aber eines solchen bedürfen Wespen sehr oft nicht. Wenn ihnen danach ist, setzen sie sich eben auf eines Menschen nackte Haut und stechen zu. Der Mensch pflegt dann gepeinigt aufzubrüllen, mit der Hand nach der Bestie zu schlagen und ihrem Leben dadurch ein Ende zu setzen. Genau das spielte sich in dieser Reihenfolge wieder einmal ab, nachdem eine Wespe an Roberts Nacken Gefallen gefunden hatte.
Rasch wurde eine Schwellung sichtbar. Robert fluchte, während er sich die Stelle rieb.
»Tut's weh?« fragte Lucia ihn. Diese Frage an ihn zu richten, war sie heute schon gewöhnt.
»Ich möchte wissen, was sich noch alles gegen mich verschworen hat«, antwortete er.
Und richtig, in diesen Worten steckte ein gehöriges Maß an Prophezeiung, denn die nächste Prüfung für Robert ließ nicht lange auf sich warten. Sie kündigt, sich an, als sich Lucia und er dem Hotel ›Zur Post‹
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