Der Geruch von Blut Thriller
gemischte Metapher, aber er hoffte, die Message war klar.
Bei Caitlin Jones denkt Finn an eine Ausreißerin, die er auf dem Busbahnhof aufgesammelt hatte, und die gerade mal zwanzig Minuten dasaß, als auch schon ein Päderastenschwein zum Sprung auf sie ansetzte. Er machte dem Mädchen Komplimente, versprach ihr
einen Job als Model und erzählte von seiner Luxussuite im Trump Tower. Er betatschte sie überall, diese blasse Streunerin mit dem aschblonden Haar, den vollen Lippen und den riesigen blauen Augen, die ihr ganzes Gesicht einnahmen. Der Kinderschänder hatte einen Zweihundert-Dollar-Haarschnitt, filmstarmäßige schwarze Klamotten und das Lächeln eines Chorknaben.
Finn jagte dem Mädchen einen höllischen Schrecken ein, als er sie auf der Wache in die Mangel nahm. Er zeigte ihr die Akte des Päderasten, Fotos von ein paar Mädchen, die er sich vorgeknöpft hatte. Danach rief sie ihre Mama an, die in Muskogee, Oklahoma, einen Friseursalon betrieb, und bat sie, ihr das Geld für ein Rückfahrtticket zu schicken.
Der Päderast wurde freigelassen und bekam nicht mal eine Geldstrafe. Später am Abend, nachdem Finn seine Uniform ausgezogen hatte, erwischte er den Mistkerl ein zweites Mal auf dem Busbahnhof. Finn prügelte ihm auf der Toilette für immer das Chorknabenlächeln aus der Visage, wusch sich das Blut von den Händen und zertrat die beiden Porzellankronen, die er auf dem Fußboden entdeckte. Die ganze Zeit über sagte er kein Wort.
Als er nach Hause kam, massierte ihm Dani den verspannten Rücken, während er die Fäuste in Eiswasser hielt, und sie sagte: Egal, was du getan hast, ich weiß, dass es richtig war.
»Mr. Finn, wollen Sie hochkommen und uns Hallo sagen oder wollen Sie ewig da unten stehen bleiben?«, fragt Lea.
Caitlin sagt: »Vielleicht rebelliert er, indem er unter uns steht, gegen eine Art sozialen Status oder gegen das Kastenwesen.«
»Oder es ist eine Kritik, weil er findet, dass wir ignorant sind und im Elfenbeinturm leben.«
»Oder eine Beobachtung der …«
Finn erträgt es nicht länger. »Es ist weder eine Beobachtung noch Kritik, Rebellion oder sonst was, meine Damen«, sagt er und geht weiter die Stufen hoch. Er klingt wütend. »Es ist eine Abschweifung.«
»Wovon, Mr. Finn?«, fragt Lea. »Dem Leben insgesamt oder besonderen Umständen?«
»Von der Gegenwart. Ich habe mich erinnert.«
»Weihen Sie uns ein.«
»Nein.«
»Mr. Finn hat früher auch gern mal zugeschlagen«, ergänzt Caitlin. »Das sieht man an seiner Statur, an seiner Schulterhaltung.«
»Muskulös. Aggressiv. Ich glaube, du hast Recht.«
»Wen wollen Sie heute Abend verprügeln, Mr. Finn?«
Als er an ihnen vorbeistürmt, hört er aus dem zweiten Stock Musik kommen. »Warum seid ihr nicht auf der Party?«
»Eine Party ohne Männer, abgesehen von den Lehrern, ist keine Party, sondern ein Kaffeekränzchen, Mr. Finn.«
Er will sagen: Na dann, entschuldigt mich.
Aber wenn er es sich genau überlegt, haben sie Recht. Er kann keiner der Schülerinnen ihren Groll darüber verübeln, in eine reine Mädchenschule in einer halbtoten Stadt gesteckt zu werden. In ein bis drei Jahren sitzen sie in einer der Eliteuniversitäten, wo sie vor größere Herausforderungen gestellt sind, extrem anspruchsvolle Kurse und einen gesellschaftlichen Umgang, bei dem sie die lange fälligen Prügel einstecken. Er hat Hoffnung
für die beiden, auch wenn sie sich über ihn lustig machen.
»Grüßen Sie Vi von uns«, sagt Lea.
Er stockt kurz, ignoriert dann aber die Bemerkung. Wenigstens kichern sie nicht. Er weiß das zu schätzen.
Finn läuft hoch bis in den dritten Stock, wo Roz eine kleine Wohnung im selben Flur wie Duchess hat.
Er klopft an ihre Tür, aber es antwortet niemand. Es ist die originale Eichentür, mit einem neuen Schloss aufgerüstet, das alte Schlüsselloch ist mit Kitt verputzt, der hart wie Stein ist, aber auch rissig und bröckelig. Er kratzt mit dem kleinen Finger darüber und erfreut sich an der Körnigkeit des Materials und dem kleinen Loch in der Mitte. Strukturen beanspruchen einen Großteil seiner Aufmerksamkeit. Er wundert sich regelmäßig, wofür seine Finger sich in dieser Hinsicht alles begeistern.
Der Knauf gibt nicht nach. Er beugt sich vor und presst die Stirn gegen die Tür, um irgendetwas zu hören, quasi mit reiner Willenskraft hineinzugelangen. Sein Fuß klopft im Takt zum wummernden Bass von der Party unten. Seine Schultern wippen, als wolle er tanzen. Er versucht es nochmal.
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