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Der Geruch von Blut Thriller

Titel: Der Geruch von Blut Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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blinder Mann.
    Er läuft schneller.
    Finn kann sich vorstellen, was Judith denkt, wenn sie Vis Leiche im Korridor findet. Er kann es, tut es aber lieber nicht. Er denkt daran, welche Narben Jesse davontragen wird. Ob Rack gerade über sie herfällt oder es noch vorhat. Ist er einer dieser Dreckskerle, die zehnmal am Tag Sex haben können und immer noch vor Lust brennen? Finn erinnert sich an Racks Jacke aus Tierhäuten, in seinen Augen ist er ein brünstiges Vieh. Er fragt sich, ob eine der Frauen noch lebt.
    Finn erreicht die Westtür und quetscht sich hinein. Ohne den Schnee abzuschütteln, greift er nach dem Messer und schwingt seinen Gehstock. Er weiß, dass Rack irgendwo weiter drinnen im Haus ist.
    Er muss trotzdem vorsichtig sein und auf Nummer sicher gehen.

    Die Tür schlägt hinter ihm zu. Egal. Jedes Geräusch ist sein Freund. Er schlägt den Stock auf den Boden. Seine Echoortung zeigt ihm nichts.
    Seine Gedanken treiben ihn weiter und ziehen den Körper mit. Er ruft Judiths Namen, dann Jesses. Er ruft nach Rack. Fast schreit er. Er klingt wie all die durchgeknallten Bastarde, die er in seinem Leben umlegen musste.
    »Jesse! Judith!«
    Er versucht, nicht an Vi zu denken, die tot am anderen Ende des Flures liegt. Nicht an den Augenblick, als sie sagte, wie sehr sie ihn liebe. An den Tag, als sie sich fast geliebt hätten und er seine Hände über ihren Körper wandern ließ. Es kostet ihn unglaubliche Kraft.
    Finn läuft die Treppe hoch und nimmt zwei Stufen auf einmal. Während er mit der einen Hand das Geländer umklammert, schlägt er mit der anderen den Stock gegen die Wand. Im Flur scheint niemand zu sein. Er hört nichts, riecht nichts. Zuerst will er Judiths Büro überprüfen.
    Die Tür ist abgeschlossen. Sie lässt sich leicht aufbrechen, er muss nicht mal sein ganzes Gewicht dagegenstemmen. Er muss erst noch lernen, wie stark er wirklich ist. Die Tür biegt sich nach innen, das Schloss schnappt auf. »Judith?«
    Er wischt mit dem Stock über den Boden, mit dem Rücken zur jeweiligen Ecke. Finn hofft, dass Rack irgendwo lauert und sich auf ihn stürzt. Sein Atem geht stoßweise. Um sich beruhigen, hält er kurz inne und steckt das Tranchiermesser zurück in den Gürtel, unter den Mantel.

    Er merkt jetzt, wie beeindruckt er ist von den Ereignissen, die bis hierher geführt haben. Von all den Geheimnissen, dem Schneesturm, der leichten Wahl der Opfer. Von Vi, die einfach vor seinem Büro saß und auf ihn gewartet hat.
    Dann hört er jemanden seinen Namen flüstern.
    Er weiß nicht, ob es Judith oder Jesse ist.
    Oder Dani, Vi oder Roz, die aus dem Jenseits nach ihm greifen.
    Oder Rack, in Gestalt seines Schattens.
    Zurück auf dem Flur weiß er sofort, dass er nicht allein ist.
    Er schlägt mit dem Stock auf und erkennt zwei Menschen, ungefähr acht Meter vor ihm.
    »Miss-ter Fi-inn«, sagt Jesse mit von Panik gebrochener Stimme. Der Klang seines Namens vereint alle Alpträume, die er je hatte.
    »Jesse, ist alles okay mit dir?«
    »Ich glaube, ja«, sagt sie und bricht in Schluchzen aus. »Ein Mann … hält mich fest. Er hat … er hat ein Messer … ein großes, scharfes Messer…o Gott, er leckt mich, er leckt an meinem Ohr …«
    Sie versucht, sich zu beherrschen und die Tränen zurückzuhalten, aber, mein Gott, sie ist vierzehn.
    »Wo ist Mrs. Perry?«
    »In Ihrem Büro. Er hat sie ins Gesicht geschlagen und sie getreten. Immer wieder hat er auf sie eingetreten. Ins Gesicht. In die Zähne. Ein paar sind rausgebrochen.« Sie holt tief Luft, als wäre sie minutenlang unter Wasser gewesen, und bekommt einen Hustenanfall. »Er kaut an meinem Ohrläppchen.«
    Jesse kreischt vor Schmerz. Rack tut ihr weh.

    Als Finn einen Schritt auf sie zumacht, schreit sie auf.
    Rack sagt immer noch kein Wort. Er will seine neun Riesen, das ist alles.
    Finn wartet. Er kann nichts anderes tun.
    Er hat Rack im Blick. Sein Schatten hat ihn im Blick. Sie schwanken zusammen, im Rhythmus ihres gemeinsamen Pulses. Sie verständigen sich in der Sprache der Dunkelheit, die jedes Begriffsvermögen übersteigt.
    Sie ist instinktiv, genetisch. Sie steckt in der Struktur des Blutes, seit zehntausend Generationen, als die Menschen zum ersten Mal in die Nacht hinaussahen und Schutz hinter einem Felsen suchten. Rack und er sind Brüder, mehr, als er und Pudge, und mehr, als Finn und Ray es je waren.
    Dieser Moment ist so hell und klar, dass Finn den Kopf wegdrehen muss, wie um seine Augen vor der Sonne zu schützen.
    »Er hat mich

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