Der Geruch von Blut Thriller
gebissen, Mr. Finn! Er hat mich in die Wange gebissen. Er hat mich ins Ohr gebissen. Er beißt mich ins Ohr, Mr. Finn! Er hat ein Messer. Er hat mich am Hals geschnitten. Jetzt gerade. O Gott, ich blute!«
Finn weiß es. Er kann es riechen.
I n seinem Krankenzimmer, den abgeschnittenen Fuß am Flaschenzug in die Luft gehievt, Blutflecken auf dem Bett, liegt Ray und grinst. Er weiß, dass Finn einen großen Fehler gemacht hat, als er auf den Jungen geschossen hat.
Wie sich herausstellte, war der Junge tatsächlich Carlyles Sohn. Er war Finn bekannt vorgekommen. Donald Carlyle, fünfundzwanzig, hatte ein Faible für transsexuelle Prostituierte, Mädchen mit Schwänzen, die ihre Hormonspritzen vergaßen und mit Bartschatten in dunklen Seitengassen standen. Um sich seinem Vater zu beweisen, hatte Donnie den Job übernommen, Ray eine Abreibung zu verpassen. Diese Mafiasöhne sind immer wahnsinnig unsicher und müssen ihren Boss-Daddys unbedingt zeigen, was sie draufhaben.
Ray grinst, weil Finn jetzt mit ihm in der Patsche sitzt, direkt an seiner Seite. So etwas kann Carlyle auf keinen Fall durchgehen lassen. Es ist unwichtig, dass Finn im Zeugenstand nichts aussagen und niemandem ernsthaft schaden kann. Carlyle wird ihn zur Rechenschaft ziehen. Und wenn Finn nur ein bisschen Köpfchen hat, kommt er ihm zuvor. Das hofft Ray jedenfalls.
Andere Polizisten kommen und gehen, und jeder von ihnen wirft einen Blick auf Finn. Manche sind offenbar stolz auf ihn, andere scheinen zu sagen: Da hast du dich aber ganz schön in die Scheiße geritten, Freundchen.
Nachdem die Leiche abtransportiert ist und Finn seinen Bericht abgegeben hat, hat er erneut das IAD am Hals. Sie wollen, dass er einen Haufen Mist bezeugt, der nicht wahr ist, und einiges, was wahr ist. Er fragt sich, wozu sie seine Aussage brauchen, wo sie doch schon abgehörte Telefonate, Insiderinformationen, digitales Videomaterial und Dokumente über Steuerhinterziehung haben. Nichts von dem, was er zu sagen hat, wird ihnen auch nur im Geringsten weiterhelfen.
Das macht nichts. Sie glauben, ihn bei den Eiern zu haben. Er will Dani anrufen, aber sie lassen ihn nicht. Sie bieten ihm an, ihn ins Zeugenschutzprogramm zu nehmen und nach Tempe, Arizona, zu schicken.
Arizona. Man kann in ganz Arizona keine Runde Golf spielen, ohne sich den Rasen mit einem abtrünnigen Mafiakiller oder Syndikatsbuchhalter, der ein zu großes Stück vom Kuchen haben wollte, zu teilen.
Um vier Uhr morgens lassen sie ihn gehen. Er fährt allein durch die Nacht nach Hause, unter einem Himmel voller Sterne. Er versucht nochmal, daheim anzurufen, erreicht aber nur den Anrufbeantworter. Seine Gedanken sind ein Wirrwarr von Sackgassen. Danielle und er gehen nach North Carolina und nicht in die Wüste.
Kurz bevor er nach Hause kommt, ruft Ray an und sagt: »Du findest Carlyle dort, wo er immer ist. Auf dem Fischmarkt. Beeil dich, du hast nicht viel Zeit.«
Finn ist zu müde, um darüber nachzudenken. Und morgen ist sein Hochzeitstag. Er überlegt, ob er das Thema Tempe anschneiden soll, bevor oder nachdem er Dani den Diamantanhänger gegeben hat, den er für sie gekauft hat.
Sie schläft, als er zu ihr ins Bett kriecht. Er legt sich in Löffelstellung hinter sie und wundert sich wieder einmal, dass sie noch bei ihm ist, dass sie immer für ihn da ist. Er legt die Hand auf ihren Schenkel. Fast ohne sich zu rühren, nimmt sie sie und zieht ihn zu sich heran.
Plötzlich ist es Morgen. Finn kann sich nicht mal erinnern, die Augen zugemacht zu haben. Er ist sofort hellwach, als Dani aus dem Bad kommt, nackt und mit etwas Babypuder auf der rechten Brust. Sie schwebt in den Flur und die Treppe hinunter.
Er braucht eine Dusche. Unter dem heißen Strahl kann er wieder klarer und positiver denken. Er hat sich von Ray und dem IAD aus dem Konzept bringen lassen. Carlyle ist kein Idiot. Er ist ein Bandenchef mittleren Kalibers und Geschäftsmann. Arschlöcher wie er stellen ihre Kinder nicht über bares Geld und gesunden Menschenverstand.
Unten steht Dani nackt vor dem Herd und verrührt Eier in einer Schüssel. Ihm bleibt kurz das Herz stehen. Sie ist so schön, dass es schmerzt.
Sie wirft ihm einen Blick über die sommersprossige Schulter zu und fragt: »Pfannkuchen oder French Toast?« Noch nass vom Duschen beugt er sich vor, schmiegt sich an ihren Hals, legt die Lippen auf ihren pochenden blauen Puls und zieht sie auf den Küchenboden. Er mag es, die kalten italienischen Kacheln unter seinem
Weitere Kostenlose Bücher