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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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schon einmal gesehen zu haben. Sie war eine Edle vom Hof des Sultans, wenn ihn nicht alles täuschte. Was sie hier zu suchen hatte, war ein Rätsel, das er wohl niemals lösen würde. Und es spielte auch keine Rolle mehr. Die Mongolen würden sie und den Ritter töten; für dieses Versprechen hatte Kadar dem Anführer der Reiterschar einen Batzen Gold gegeben - Münzen und Schmuck aus dem Anwesen des Ritters in Yeramos. Das Zepter gab der Mann nicht einmal für die doppelte Summe heraus; offenbar spürte auch er die Kraft darin. Daraufhin drohte Kadar mit Natsagiin und zeigte dem Mongolen das Schriftstück mit dem Siegel des Edlen - ein gefährliches Spiel, schließlich wusste er nicht, wie weit Natsagiins Einfluss reichte. Es stellte sich heraus, dass der Hauptmann Natsagiin fürchtete. Stärker jedoch war sein Widerwille, einen Gegenstand von solchem Wert einfach aus der Hand zu geben. Er schickte einen berittenen Boten nach Yeramos; Natsagiin sollte selbst entscheiden, was mit dem Zepter zu geschehen hatte. Viele Stunden später kam der Kurier zurück. Die Nachricht, die er überbrachte, enthielt die Aufforderung, Kadar das Zepter auszuhändigen. Erst da hatte sich der Hauptmann gefügt, und spät in der Nacht konnten sie endlich das Jurtenlager verlassen.
    Nun war es an der Zeit herauszufinden, ob ibn-Marzuq die Wahrheit gesagt hatte.
    Der Gelehrte saß in der Ecke eines verfallenen Gehöfts, wo die Mauerreste höher waren und ihn vor dem kühlen Wind schützten,
der über die Hügel pfiff. Er hatte sich seinen Mantel um die Schultern geschlungen und aß etwas Brot und Hammelfleisch. Er hatte Gewicht verloren; die Kleider waren ihm zu weit, und sein einst rundliches Gesicht war inzwischen fast hager.
    Ibn-Marzuq hörte auf zu essen und musterte Kadar mit einem misstrauischen Funkeln in den Augen, dann fiel sein Blick auf das Zepter.
    Kadar setzte sich auf eine umgestürzte Mauer. »Es ist wunderschön, nicht wahr?«
    »Gewöhnt Euch nicht daran, es in der Hand zu halten«, erwiderte der Gelehrte barsch. »Das Zepter gehört niemandem als dem Sultan.«
    »Ach, ibn-Marzuq, wieso hört Ihr nicht endlich damit auf? Euer geliebter Sultan kann Euch nicht helfen. Oder seht Ihr ihn hier irgendwo?«
    »An-Nasir Muhammad duldet es nicht, dass man ihn hintergeht. Er wird Euch zur Rechenschaft ziehen, ganz gleich, wo Ihr Euch versteckt.«
    »Er wird nie erfahren, was geschehen ist.«
    Ibn-Marzuq setzte zu einer Erwiderung an, verkniff sie sich jedoch. Sein Adamsapfel bewegte sich. Er hatte die Andeutung genau verstanden.
    »Sagt mir, wie man mit dem Zepter heilt«, forderte Kadar ihn auf.
    »Erst wenn Ihr mich zu einer Stadt gebracht habt, in der ich in Sicherheit bin«, sagte der Gelehrte. »Nach Antiochia oder Aleppo.«
    Kadar lachte leise. »Ihr seid ein gerissener alter Fuchs, ibn-Marzuq. Eure Feinde bei Hof haben es sicher nicht leicht mit Euch.«
    Ibn-Marzuqs Blick wurde hart, und die Furcht in seinen Augen verschwand. »Ich habe die Vita vernichtet. Niemand außer mir kennt die Geheimnisse des Zepters. Ihr braucht mich, vergesst das nicht.«

    »Wie könnte ich?«, sagte Kadar samtweich. Seine Hand schnellte zum Dolch, riss ihn aus der Scheide und stieß ihn dem Gelehrten in die Seite, alles in einer einzigen fließenden Bewegung. Ibn-Marzuqs Mund öffnete sich zu einem schmerzvollen Keuchen, dann sank er nach hinten und prallte mit dem Kopf gegen die Mauer. Er presste beide Hände auf die Wunde; dunkles Blut quoll zwischen den Fingern hervor. Sein Körper wurde schlaff, sein Gesicht verlor jegliche Farbe.
    Aus den Augenwinkeln sah Kadar, dass die Männer aufgesprungen waren und das Geschehen stumm beobachteten. Er beugte sich über ibn-Marzuq. »Die Niere«, sagte er. »Verletzungen dort sind scheußlich und fast immer tödlich. Wenn ich bis fünfzig gezählt habe, seid Ihr verblutet. Sagt Ihr mir jetzt, wie man das Zepter benutzt?«
    Der Blick des Gelehrten flackerte, und seine Lippen bewegten sich, als er versuchte, Worte zu formen. Kadar wartete geduldig. Ibn-Marzuq hatte keine Lungen- oder Bauchverletzung; er konnte noch sprechen. Es war nur der Schmerz, der ihn daran hinderte.
    »Berührt mich … damit«, flüsterte er schließlich.
    »Die Wunde?«, fragte Kadar.
    »Irgend … wo.«
    Er legte den Kopf des Zepters auf ibn-Marzuqs Brust, die sich unregelmäßig hob und senkte.
    »Jetzt … müsst Ihr … es wollen. Ihr müsst wollen … dass sich die Wunde … schließt.«
    »So einfach ist das?«
    »Es ist …

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