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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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dass die ganze Hütte erbebte. Die Tür wurde wieder aufgerissen, und einer der Mongolen rammte ihm den Speerschaft in den Magen. Raoul brach zusammen und krümmte sich auf dem Boden.
    Die Hütte musste früher ein Stall gewesen sein. Vieh gab es keines mehr, aber der Gestank nach Mist hing noch in der Luft. Ein Felsen bildete die Rückwand des halbdunklen Raums, der zu einem Drittel von Bündeln aus frischem Stroh ausgefüllt wurde. Lichtstreifen fielen durch die zahllosen Spalten und Lücken zwischen den Brettern. Jada kauerte an einer Wand, hatte die Knie an die Brust gezogen und starrte vor sich hin.
    Sie saßen in einem jämmerlichen Gefängnis. Das Holz war so alt, dass Raoul ohne größere Mühe eine Wand hätte zerstören können. Doch die Hütte war umgeben von Jurten, sodass an eine Flucht nicht zu denken war. Bleierne Müdigkeit überkam Raoul, als forderten die Anstrengungen der letzten Stunden auf
einen Schlag ihren Tribut. Er setzte sich mit dem Rücken an den Strohhaufen gelehnt. Sein Kopf sank wenig später auf die Knie, und er nickte ein.
    Als er hochschreckte, war es merklich dunkler in der Hütte. »Raoul!«, sagte Jada. Sie stand neben ihm und rüttelte ihn an der Schulter.
    »Was ist los?«
    »Al-Munahid ist hier.«
    Raoul war schlagartig hellwach und sprang auf. Jada deutete auf eine Lücke in der Wand neben der Tür. Er spähte hindurch und sah den von Jurten gesäumten Platz vor dem Verschlag. Es dämmerte; er musste ein bis zwei Stunden geschlafen haben. Das flackernde, rote Licht der Feuer warf tanzende Schatten auf die Zeltwände. Ibn-Marzuq und die Söldner warteten bei ihren Pferden. Raoul zählte nur noch fünf Krieger. Offenbar hatte al-Munahid im Kampf gegen Oskanjan und dessen Söhne zwei Mann verloren.
    Der Söldnerführer nahm von einem hochgewachsenen Mongolen, dem Anführer der Reiterschar, einen Beutel entgegen. Raouls Mund wurde trocken, als er die Form des Zepters unter dem Leder erkannte. Al-Munahid öffnete den Beutel, nahm das Zepter heraus und betrachtete es prüfend von allen Seiten; dann nickte er dem Mongolen zu und ließ es wieder im Beutel verschwinden. Als er zu seinen Männern zurückging, wandte er den Kopf zur Hütte, und Raoul wusste, dass der Söldner ihn anblickte.
    Ein dünnes Lächeln erschien auf al-Munahids Lippen.

ZWANZIG
     
     
    S eit er es zum ersten Mal berührt hatte, ahnte Kadar al-Munahid, dass es sich um kein gewöhnliches Zepter handelte. Als er es nun aus dem Beutel nahm, fühlte er erneut die unerklärliche Kraft, die in dem goldenen Stab und den Rubinen wohnte. Sie richtete die Haare an seinen Armen auf, durchströmte seinen ganzen Körper, und sein Blut reagierte darauf - ein Gefühl von Macht.
    Aber welchen Preis hatte er dafür bezahlt … Von der Kriegerschar, die von Kairo aufgebrochen war, waren nur noch Unardhu, Akif, Bishr, Najib und Rafiq übrig. Uthman und Saad lagen tot im Schilfwald am Sewansee, erschlagen von den Bauern. Entsprechend fand heute Abend auch keine Siegesfeier statt. Die Männer saßen am Feuer, über dem ein Hammel briet, und ließen schweigend einen Weinschlauch kreisen. Der eine oder andere würde sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, was er gewöhnlich nicht duldete, wenn sie umherzogen. Doch heute ließ er sie. Sie mussten ihren Zorn abschütteln, bevor er ihnen einen entbehrungsreichen Ritt durch hunderte Meilen Gebirge zumutete. Der Hinterhalt der Armenier setzte ihnen immer noch zu. Nicht nur, dass sie zwei Gefährten verloren hatten; es war seinen Schakalen nicht einmal gelungen, auch nur einen Gegner zur Strecke zu bringen. Die Armenier hatten sich im undurchdringlichen Schilf versteckt, nachdem Bazerat geflohen war, und Kadar hatte die Suche nach ihnen abgebrochen, um den Ritter zu verfolgen. Er konnte von Glück sagen, dass Bazerat einer mongolischen Reitwache in die Arme gefallen war. Sonst hätten sie dessen Spur in den menschenleeren Bergen mit Sicherheit verloren.

    Bazerat … Seine Anwesenheit bedeutete nichts anderes, als dass Armin in Trapezunt versagt hatte und vermutlich tot war. Bei allem Zorn, den Kadar wegen des Verlusts eines weiteren fähigen Mannes verspürte, empfand er gegen seinen Willen Achtung vor Bazerat. Er kannte nicht viele, die Armins Gerissenheit und Kampfgeschick gewachsen waren. Bazerat war es offensichtlich.
    Wer war die Frau bei ihm? Unardhu und Najib hatten bestätigt, dass sie dieselbe sei, die Bazerat schon in Konstantinopel geholfen hatte. Kadar erinnerte sich, sie

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