Der Gesandte des Papstes
ganz leicht.«
Die Männer murmelten aufgeregt durcheinander. Kadar betrachtete die Wunde und stellte sich vor, wie sie sich schloss. Ihm wurde heiß, so heiß, dass er glaubte, ein plötzliches Fieber habe von ihm Besitz ergriffen. Sein Herz pochte immer wilder und pumpte das Blut durch seinen Körper. Er hörte das Flüstern der Männer und verstand jede Silbe, er spürte den Wind in
seinem Gesicht und roch die Brombeeren am Fuß des Hügels, roch den Rauch des Feuers, den Saft des Hammels und ibn-Marzuqs Schweiß. Er sah jeden einzelnen Riss in den Lippen des Gelehrten und die Falten des Mantels, eine Landschaft aus winzigen Schluchten und Tälern. Eine Kraft bahnte sich ihren Weg durch seinen Arm, floss durch Muskeln, Knochen und Adern, und schlagartig, wie beim Höhepunkt des Liebesakts, erschlaffte jede Faser seines Körpers. Das Zepter entglitt seinen Fingern, und seine Beine gaben unter ihm nach.
Seine Wange lag auf rauer Erde. Er hielt die Augen geschlossen und sog die kühle Luft ein, bis das Wirbeln im Kopf verschwunden war und sich seine Gedanken klärten. Mühsam kam er auf die Füße und wehrte Bishr und Unardhu ab, die ihm zu Hilfe gekommen waren. Die anderen standen reglos da, mit vor Schreck geweiteten Augen.
Ibn-Marzuq bewegte sich nicht. Sein Kopf war zur Seite gefallen, die Augen waren geschlossen.
Der Blutstrom war versiegt.
Mit bleischweren Gliedern hob Kadar seinen Dolch auf, ging schwankend zu dem Gelehrten und trennte den blutgetränkten Stoff um den Einstich auf.
Die Wunde war fort, als hätte es sie nie gegeben.
Ibn-Marzuq atmete regelmäßig. Er schlief.
Schlafen, dachte Kadar, ja … Er ließ den Dolch fallen, griff nach dem Zepter und schleppte sich zum Feuer. Die Männer wichen vor ihm zurück, als fürchteten sie seine Berührung. Ihm schien alles seltsam schal - der Wind, das Knacken des Holzes in den Flammen, der Duft des gebratenen Fleisches.
Er war müde.
Ibn-Marzuq fror, als er aufwachte. Graue Dämmerung lag über den Hügeln und auf den Mauerresten. Das Feuer war niedergebrannt.
Er setzte sich auf. Gewöhnlich brauchte er nach dem Aufstehen
mindestens eine halbe Stunde und einen Becher starken Tee, um wachzuwerden. Doch heute Morgen fühlte er sich so klar und erfrischt wie schon lange nicht mehr.
Dann fiel ihm ein, was geschehen war, und seine Rechte fuhr zu seiner Wunde. Er zuckte zusammen, als die Hand den Stoff teilte, aber es war nur die Erinnerung an den Schmerz. Wirklicher Schmerz war nicht mehr da.
Auch die Wunde war nicht mehr da.
Und sein Arm - er war nicht mehr steif. Ibn-Marzuq konnte ihn wieder ohne Einschränkung und ohne Schmerz bewegen. Hastig untersuchte er andere Stellen seines Körpers. Sämtliche Schürfwunden, Kratzer und Prellungen, die er sich in den letzten Tagen und Wochen zugezogen hatte, waren verschwunden.
Allmächtiger Herr der Welten, dachte er, also ist es wahr! Ein Gefühl des Glücks durchströmte ihn. Obwohl er der Vita Glauben geschenkt hatte, waren ihm bis zuletzt Zweifel geblieben. Dass das Zepter über solche Macht verfügen sollte, war ihm so … unfassbar erschienen.
Aber es war wahr. Das Zepter hatte ihn geheilt.
Dann ist auch alles andere wahr, was in der Vita geschrieben stand …
Er zwang sich, den Gedanken beiseitezuschieben. Für den Augenblick war er zu groß, zu unbegreiflich.
Er musste fort von hier.
Ibn-Marzuq stand auf und sah sich im Lager um. Die Männer schliefen. Aus den herumliegenden Weinschläuchen und dem Fehlen einer Wache schloss er, dass sie sich betrunken hatten. Das erleichterte seine Flucht; dennoch widerten ihn die Ausdünstungen der Männer und der Anblick der verquollenen Gesichter an. Tiere, dachte er. Nichts mehr als Tiere. Ich sollte ihnen allen die Kehle durchschneiden. Doch er hatte noch gut in Erinnerung, wie ihn Abdul-Jabars Tod mitgenommen hatte. Einen Mensch zu töten, war eine Erfahrung, die er um keinen Preis wiederholen wollte, und er hatte sich geschworen, nie
mehr eine Waffe gegen einen anderen zu erheben, es sei denn, sein Leben wäre in Gefahr.
Es sah al-Munahid nicht ähnlich, den Männern zu erlauben, jegliche Zucht und Ordnung fahren zu lassen. Aber wenn die Heilung so verlaufen war, wie es die Vita beschrieb, war er gar nicht mehr in der Lage gewesen, Befehle zu geben. Je schwerer das Leiden war, desto mehr Kraft raubte das Zepter dem, der es benutzte, und dem, den es heilte. Und ibn-Marzuqs Verletzung war tödlich gewesen.
Er fand den Söldnerführer zwischen seinen
Weitere Kostenlose Bücher