Der Gesandte des Papstes
erste Hälfte der vereinbarten Summe. Wenigstens was ihre Ausrüstung anbelangte, hatten sie Glück gehabt: Die Mongolen hatten ihnen nicht nur ihre Pferde, sondern auch ihre Habe sowie ihre Waffen und Rüstungen zurückgegeben. In Morras Geldkatze hatte keine Kupfermünze gefehlt.
Wenig später brachen sie auf. Ihr Führer ritt auf seinem Kleinpferd an der Spitze und führte sie durch das Tal, aus dem
sie vor sechs Tagen gekommen waren. Einst war diese Gegend eine Provinz von Byzanz gewesen, dann waren Seldschuken und Mongolen gekommen und mit ihnen Barbarei, Rechtlosigkeit und die islamische Pest. Die Ursachen für diesen Niedergang sah Morra nicht in der kriegerischen Stärke der Nomadenvölker, sondern im geistigen Verfall, der nach der Abspaltung der Kirche Konstantinopels eingesetzt hatte. Ein Reich, das sich nicht zur wahren Kirche Roms bekannte, verfaulte von innen heraus, wurde kraftlos und blutleer und war, wie ein krankes Gewächs, bald anfällig für allerlei Schädlinge. Morra hatte kein Mitleid mit dem Hirten und seiner Familie und den anderen Bewohnern des Tals, die in ständiger Furcht vor Räubern und Missernten lebten. Die dauernden Kriege und Hungersnöte in Kleinasien waren Gottes Strafe für die Abkehr von der Wahrheit.
Als nur noch ein flammender Streifen über dem Bergmassiv für einen Rest Tageslicht sorgte, kam der erloschene Vulkan in Sicht, wo sie den Mongolen begegnet waren. Sie verließen das Tal und folgten einem Pfad, der, verborgen zwischen gewaltigen Felsen, zum Hügelkamm führte. Dort hielt ihr Führer an. Morra holte zu ihm auf und erkannte den Grund für die Pause: Ein einzelner Reiter preschte über die Wiese im Vulkankrater, verfiel in einen Trab, als er den Hang erreichte, nur um dann mit halsbrecherischem Galopp ins Tal herabzujagen.
»Das ist kein Mongole«, murmelte der Bergführer.
Nein, dachte Morra und nahm den Reiter genauer in Augenschein. Er war gekleidet wie ein Einheimischer, aber mit den dichten schwarzen Locken sah er nicht aus wie ein Bewohner des Hochlandes. Sein Gesicht war auf die Entfernung nicht zu erkennen, doch etwas an dem Mann kam Morra bekannt vor. Die Art, auf dem Pferd zu sitzen, diese Locken …
»Beim heiligen Kreuz, das ist Gaspare, Matteo Gaspare!«, rief er und wandte den Kopf ruckartig zu seinen Männern um. »Simone, Alessandro, bringt ihn her!«
Die beiden Soldaten rissen ihre Pferde herum und galoppierten zurück. Morra blickte wieder zu Gaspare. Das kann nicht sein, dachte er. Er ist tot, in Konstantinopel verbrannt, genau wie Battista. Ich muss mich täuschen.
Als Simone und Alessandro am Fuß des Hangs zwischen den Felsbrocken hervorschossen, ritt Matteo gerade an ihnen vorbei. Der Toskaner warf den Männern einen flüchtigen Blick zu und trieb sein Pferd mit Rufen weiter an. Er schien anzunehmen, er sei in einen Hinterhalt geraten. Die Soldaten holten auf und nahmen ihn in die Mitte; Simone rief ihm etwas zu. Schließlich wurden alle drei Männer langsamer, wendeten und ritten zum verborgenen Pfad zurück.
Kurz bevor sie den Hügelkamm erreichten, erkannte Morra, dass es sich ohne jeden Zweifel um Matteo handelte. Der Toskaner war schmutzig, erschöpft und übermüdet, aber er strahlte über das ganze Gesicht. »Eminenz!«, schrie er und sprang aus dem Sattel. Morra war abgestiegen, und Matteo fiel vor ihm auf die Knie, küsste seinen Ring.
»Ich danke allen Heiligen, dass sie mich zu Euch geführt haben, Eminenz.«
»Steh auf«, befahl Morra. »Was machst du hier? Ich hielt dich für tot.«
»Ich weiß, wo das Zepter ist!«, sprudelte es aus Matteo heraus. »Drei oder vier Tagesritte südlich von hier. Eine Gruppe von Mameluckensöldnern hat es. Sie wollen zum Euphrat. Wenn wir uns beeilen, holen wir sie vorher ein und …«
Morra hob die Hand, unterbrach den Redefluss. »Alles der Reihe nach. Ich will genau wissen, was seit Konstantinopel geschehen ist. Und um Gottes willen, Matteo, wasch dich. Du stinkst wie ein Nachttopf!«
Simone gab dem Toskaner einen Wasserschlauch und eine saubere Pilgerkutte. Während Matteo sich hinter einem Felsen den Uringestank abwusch und umzog, legten die Männer den Pferden Fußfesseln an, und der Bergführer machte Feuer. Inzwischen
war es zu dunkel zum Weiterreiten, sodass sie an Ort und Stelle ihr Nachtlager aufschlugen.
Im Gehöft des Hirten hatten sie sich großzügig mit Schafskäse, Hammelfleisch, Fladenbrot und getrockneten Aprikosen eingedeckt. Matteo, der seit fast zwei Tagen nichts
Weitere Kostenlose Bücher