Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
Krieger außer Sicht waren.
    Es war eine Erlösung für Jada, als sie endlich die tiefer gelegenen und wärmeren Täler Ostanatoliens erreichten. Kurz darauf verließen sie das Reich der Ilkhane. Die Täler, durch die sie von da an ritten, standen unter der Herrschaft eines Seldschukenfürsten, dessen Krieger Reisende in Ruhe ließen, solange sie das Gesetz achteten. Sie brauchten Simons Hilfe nicht mehr, doch der Armenier bestand darauf, sie bis nach Edessa an der Grenze des Zweistromlandes zu begleiten. Jada vermutete, dass er dort Schmuggelware aufnehmen wollte, um sie auf dem Rückweg zu verkaufen.
    Zwei Tagesritte nach dem Abschied von Simon überquerten sie den Euphrat, die Ostgrenze des Sultanats. Jada hielt sich vom Rand der Fähre fern, während sich diese, gezogen von zwei Ochsen an einer Kette, quälend langsam über den grünbraunen Strom bewegte. Bei der Vorstellung, dass nur ein dünner Holzboden sie von diesen unvorstellbaren Wassermengen trennte, wurde ihr übel, bei jedem Schlingern fuhr sie zusammen. Raoul legte einen Arm um ihre Hüfte. Was er tat, war nutzlos, denn wäre die Fähre tatsächlich gekentert, hätte das Wasser ihr trotz seiner Hilfe großen Schaden zugefügt. Doch allein dass er sie berührte, gab ihr Halt und verminderte ihre Furcht.
    Seit jener Nacht im Bergdorf hatte es viele solcher zärtlichen Gesten gegeben. Er hatte ihre Hand genommen, als sie am Feuer saß und dennoch fror. Er hatte ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen, als sie von ihrem Dorf in der ägyptischen Wüste erzählte. Immer wieder berührte er sie, warf ihr Blicke zu, lächelte sie an. Seine Nähe tat gut, vertrieb für einen Augenblick ihre Einsamkeit, dennoch wies sie ihn jedes Mal aufs Neue zurück. Die gemeinsamen Nachtstunden im Bergdorf waren ein Fehler gewesen, und sie wollte nicht alles
noch schlimmer machen. Bald kehrte sie zu ihrem Volk zurück. Vielleicht würde sein Schmerz über den Abschied nicht so groß sein, wenn sie ihm jetzt schon Leid zufügte. Vielleicht würde dann ihr Schmerz nicht so groß sein.
    Zum ersten Mal überlegte Jada, ob es besser gewesen wäre, wenn sie ihn in Konstantinopel nicht aus dem Feuer gerettet hätte. Sie hätte ihn sterben lassen und gleich al-Munahid verfolgen sollen. Alles wäre jetzt so viel einfacher. Aber sie hätte das niemals gekonnt, schon damals nicht, als sie noch nicht einmal seinen Namen wusste. Er war Antonius so ähnlich: die gleichen Zweifel, die gleiche Entschlossenheit, die gleiche Liebe zum Leben. Antonius hatte nach Gott gesucht, Raoul suchte nach Gott - auch wenn es ihm noch nicht bewusst war. Nein, sie hätte ihn nicht im Feuer zurücklassen können.Aber das war vorbei. Jetzt musste sie anfangen, ihn zu vergessen.
    Denk an die tausend Jahre, die hinter dir liegen!, sagte sie sich, zornig auf sich selbst.
    Endlich legte die Fähre an. Jada löste sich aus Raouls Umarmung, führte ihr Pferd ans Ufer und galoppierte los, ohne sich nach ihm umzusehen.
     
    Von ibn-Marzuq wusste Raoul, dass die Söldner ein Schriftstück mit dem Siegel eines mongolischen Fürsten besaßen, mit dem sie sich freies Geleit durch das ganze Hochland verschaffen konnten. Auf den Talstraßen waren die Mamelucken wesentlich besser vorangekommen als ihre Verfolger auf den unwegsamen Bergpfaden, sodass sie nun einen beträchtlichen Vorsprung hatten. Um aufzuholen, verkauften Raoul und seine Gefährten am Ende eines Tages ihre Pferde und kauften sich am nächsten Morgen vom Erlös und dem restlichen Geld des Wesirs neue, ausgeruhte Tiere.
    Seit ihrem Aufbruch von Edessa hatten sie einmal die Pferde gewechselt. Mit den frischen Tieren schafften sie am Tag fünfzig Meilen, fast das Anderthalbfache dessen, wozu erschöpfte
Pferde in der Lage gewesen wären. Als jenseits des Euphrats die Hügel in eine Ebene ausliefen, legten sie noch weitere Strecken zurück, doch ab und zu mussten sie rasten. In der glühenden Mittagshitze machten sie in einem Wadi Halt. Überhängende, von plötzlichen Regenfällen ausgewaschene Felswände spendeten Schatten; ein Rinnsal führte durch das Trockental, das nach wenigen Meilen im Sand versickerte.
    Ibn-Marzuq tränkte die Tiere. Raoul füllte seinen Schlauch und zog sich in den Schatten zurück. Er hustete und schmeckte Blut; die Hitze und der allgegenwärtige Flugstaub setzten ihm zu. Er zerschnitt eine von Jadas Wurzeln, von denen er sich im Hochland einen Vorrat angelegt hatte, presste den Saft aus und vermischte ihn in seinem

Weitere Kostenlose Bücher